Sturmkönige 03 - Glutsand
bemerkte Ifranji.
Sabatea interessierte sich im Augenblick für das Ding dort vorn am allerwenigsten. Stattdessen behielt sie die Brücken im Auge. Und den Himmel über den Ruinen. Der Platz inmitten der Trümmer wurde vom Schatten der Glasscholle verdunkelt, was es noch schwieriger machte, Details zu erkennen.
Nachtgesicht schenkte ihr einen Seitenblick. »Du suchst nach Tarik.«
»Wenn der Narbennarr ihn kontrolliert, dann muss er auf dem Weg hierher sein.«
»Vielleicht hat er Almarik aus freien Stücken umgebracht«, sagte Ifranji. »Wäre doch möglich.«
»Kurz bevor es passiert ist, hat er mir gesagt, dass Amaryllis immer mächtiger wird«, erwiderte Sabatea und fragte sich zugleich, ob sie sich damit nicht nur selbst beruhigen wollte. Sie verstand ihre eigenen Gefühle nicht mehr. Die Vorstellung von Tarik als Mörder Almariks hätte sie kaum berührt, wären da nicht die besonderen Umstände gewesen. Einem Mann den Kopf abzuschneiden, während sie selbst nur wenige Meter entfernt schlief, passte nicht zu Tarik. Er konnte kaltblütig sein, auch rücksichtslos, aber diese Tat trug die Handschrift des Dschinnfürsten.
Ifranji hingegen traute Tarik offenbar eine Menge Niedertracht zu. Und Sabatea musste sich widerwillig die Frage stellen, ob sie damit womöglich richtig lag.
Aber es war müßig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, solange sie ihn nicht fanden. Sie war überzeugt, dass er herkommen würde. Zugleich fürchtete sie, dass Amaryllis ihn den Dschinnen geradewegs in die Arme trieb.
»Was ist mit Khalis?«, warf Nachtgesicht ein und beobachtete den Splittergraben und die umliegenden Trümmerfelder. »Er müsste auch hier sein.«
»Vorausgesetzt, da vorn befindet sich tatsächlich irgendwo der Dritte Wunsch«, sagte Sabatea.
Ifranji stieß ein leises Lachen aus. »Ich hab keine Ahnung, was das da ist. Aber einen Wunsch hab ich mir anders vorgestellt.«
Sabatea sah sie an. »Und wie?«
Die Diebin öffnete den Mund, suchte nach Worten, schloss ihn wieder. Zuletzt beschränkte sie sich auf ein Kopfschütteln und Schulterzucken.
»Das ist es ja eben«, sagte Sabatea. »Der Dritte Wunsch könnte alles sein.« Und am wenigsten ein Gegenstand, gestand sie sich im Stillen ein. Nicht dieses Ding da vorn.
»Wir müssen näher ran«, sagte Nachtgesicht.
»Oho«, höhnte seine Schwester. »Vielleicht mit dem Wirbelsturm mitten hinein?«
»Seht ihr das auch?«, unterbrach Sabatea die beiden, bevor sie ausgerechnet hier und jetzt eine weitere ihrer endlosen Streitereien vom Zaun brechen konnten. »Die Dschinne… irgendwas ist da los. Sie schwärmen aus – dort rüber, nach Westen.«
Nachtgesicht legte die schweißglänzende Stirn in Sorgenfalten. »Was nicht allzu weit von hier entfernt ist, wenn man’s genau nimmt.«
»Es geht ihnen nicht um uns«, widersprach Sabatea. »Sonst wären sie längst hier aufgetaucht.«
»Khalis?«, sprach Ifranji aus, was alle dachten. »Oder Tarik?«
Mehrere hundert Dschinne hatten sich aus den Schwärmen rund um die Glasscholle gelöst, etwa die Hälfte all jener, die von hier aus zu sehen waren. Aufgebrachtes Geschrei drang herüber, schnatternde, kreischende Rufe. Jetzt verließen noch mehr von ihnen die wolkige Formation und schwebten nach Westen.
Sabatea fluchte leise. Von ihrem Versteck aus war ihr Sichtfeld so stark eingeengt, dass sie in dieser Richtung kaum weiter als bis zum Rand des Splittergrabens sehen konnte.
Ihr Blick fiel auf einen Scherbenhaufen, der wie eine Treppe mit gefährlich scharfen Stufen an einer der Innenwände ihres Unterschlupfs aufgeschichtet war. Ifranji bemerkte ihn ebenfalls – und war schneller als sie. Noch während Sabatea aufsprang, huschte die Diebin bereits zu der glitzernden Scherbenrampe hinüber. Das Glas knirschte gefährlich, als sie die ersten Schritte in die Höhe machte. Auf allen vieren wäre es ihr leichtgefallen, aber an den messerscharfen Glaskanten konnte sie sich unmöglich festhalten. Stattdessen versuchte sie, aufrecht über die Splitter zu balancieren und mit ausgestreckten Armen ihr Gleichgewicht zu halten. Nachtgesicht raunte ihr eine Warnung zu und machte ein Gesicht, als sähe er sie schon mit abgeschnittenen Armen und Beinen im Glas liegen. Sabatea wäre ihr gefolgt, sah aber ein, dass der Scherbenhaufen zu instabil war, um zwei Menschen zugleich zu tragen. Selbst für einen allein schien der Aufstieg plötzlich ein viel zu großes Risiko.
Angespannt warf sie einen Blick über die Schulter, durch
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