Sturmkönige 03 - Glutsand
Tarik sah zu ihm hinüber, aber der Magier lehnte noch immer im Halbschlaf am Schrein. Tariks Blick wanderte an ihm empor zu den beiden Körpern im Honig. Die Tochter des Magiers wandte ihnen den Rücken zu und verdeckte Maryam fast vollständig. Nur Maryams Gesicht schien über Atalis’ Schulter zu Tarik und Sabatea herüberzublicken. Ihre Augen waren geschlossen, und dennoch – oder gerade deshalb – lief es Tarik kalt den Rücken hinunter.
Sabatea spürte, dass sich seine Haltung versteifte. »Du glaubst nicht daran, oder?«
»Dass sie wieder lebendig wird?« Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Vielleicht hätten wir es Junis ausreden sollen.«
»Wie hättest du das anstellen wollen?«
Sie hob die Schultern. »Khalis wird dir das nicht so schnell verzeihen.«
»Damit kann ich leben.«
Der Magier schlug die Augen auf und blickte herüber.
»Nicht mal er hat so gute Ohren«, flüsterte Sabatea, während sie dem alten Mann mit falscher Freundlichkeit zunickte.
Tarik war davon keineswegs überzeugt. Aber statt sich Gedanken darüber zu machen, suchte er die Sanduhr. Sie stand neben seinem Teppich; die obere Hälfte war fast leer. »Wir müssen aufbrechen«, sagte er laut. »Nachtgesicht, Ifranji – es wird Zeit!«
Sabatea pflückte sich mit Daumen und Zeigefinger Sandkörner von der Zungenspitze. Khalis beobachtete sie noch immer ohne jede Regung. Sie runzelte die Stirn, zwang sich erneut zu einem Lächeln.
Völlig unvermittelt sagte der Magier: »Skarabapur ist nicht einfach nur eine Stadt. Es ist so viel mehr als das.«
Tarik warf einen weiteren besorgten Blick auf die Sanduhr, fragte aber: »Inwiefern mehr?«
»Vor allem ist es eine Legende«, mischte Nachtgesicht sich abfällig ein und streckte seine Glieder. Seine Schwester stand müde auf und stapfte hinter eine Düne, um ihre Notdurft zu verrichten. Kurz bevor sie dort verschwand, schaute sie zu Almarik hinauf; sie machte eine obszöne Geste in seine Richtung. Sollte er ihr doch von oben zuschauen, hieß das wohl. Aber Tarik bezweifelte, dass der Byzantiner daran Interesse hatte.
»Eine Legende, sicher«, sagte Khalis zu Nachtgesicht. »Aber auch Legenden können wahr sein. Würdest du nicht daran glauben, wärst du nicht hier.«
Der Schwarze schüttelte den Kopf. »Meine Schwester und ich sind hier, weil ihr uns einen Weg aus der Stadt versprochen habt.«
Ifranji rief von jenseits der Düne: »Selbst das hier ist besser, als in Bagdad tatenlos darauf zu warten, dass die Dschinne die Stadt dem Erdboden gleichmachen.« Sie fluchte, als sie, dem Geräusch nach zu urteilen, auf dem losen Sandhang das Gleichgewicht verlor. »Nein, das nehme ich zurück. Nichts ist schlimmer als das hier. Verfluchte Scheiße!«
Nachtgesicht seufzte und warf den anderen entschuldigende Blicke zu.
»Wir haben noch ein paar Minuten, Khalis«, sagte Tarik. »Wenn du uns etwas über Skarabapur zu sagen hast, dann tu es jetzt gleich. Und mach es kurz.«
»Viele haben nach Skarabapur gesucht«, sagte der Magier, während er aufstand und sich Sand von seinen Gewändern klopfte. Seit sie aufgebrochen waren, hatte Tarik ihn nicht ein einziges Mal trinken sehen, und er tat es auch an diesem Morgen nicht. »Viele haben alles dafür aufgegeben, für ihre große Suche nach Skarabapur. Aber habt ihr je von einem gehört, der es gefunden hat?«
»Es gibt Legenden«, sagte Nachtgesicht.
»Gerade eben noch hast du Legenden mit Lügen gleichgesetzt«, entgegnete der Magier.
Der Afrikaner grinste. »Das ist das Schöne daran – man kann sich aussuchen, ob man an sie glaubt oder nicht. Wies einem gerade passt.«
»Nein«, widersprach Khalis. »So einfach ist das nicht. Wer Skarabapur finden will, der muss daran glauben. Aus tiefstem Herzen. Nur wer mit aller Kraft glaubt, der wird ans Ziel gelangen.«
»Jajaja«, rief Ifranji gelangweilt hinter der Düne.
Tarik suchte den Himmel ab. Selbst das Elfenbeinpferd schien ihm ein vertrauenswürdigerer Führer nach Skarabapur zu sein als der Glaube seiner Gefährten. Er selbst war alles andere als überzeugt, dass sie die sagenumwobene Stadt jemals erreichen würden.
Zu seiner Erleichterung entdeckte er das Pferd als winzigen weißen Punkt, viel höher in der Luft als Almarik.
»Wenn ich nicht daran glaube«, fragte Sabatea, »ist das alles hier also nur so eine Art… Zeitvertreib? Um nicht auf den Tod durch die Dschinne warten zu müssen?«
»Ich dachte, dass der Gaul uns führt.« Ifranji kam wieder zum Vorschein und zurrte
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