Sturmkönige 03 - Glutsand
seiner Tochter zurückweichen zu wollen, konnte es aber nicht, weil dazu der Platz im Inneren der wabernden Blase nicht ausreichte.
Atalis richtete sich auf. Schloss den Mund. Ihr Schreien brach ab, aber das jammervolle Klingen der gläsernen Stadt hielt noch eine Weile länger an, schwoll auf und ab und waberte in ihren Ohren.
Sie riss die Arme auseinander, sprach ein einzelnes Wort.
Über ihr zerplatzten die Dschinne wie verfaultes Obst. Ihre Überreste ergossen sich in einem prasselnden Regen über den Splittergraben und die magische Kugel, die Khalis und Atalis schützte.
Sabatea und Ifranji stießen Flüche aus, während sie auf allen vieren rückwärts krochen, gerade so weit, dass sie über den Rand des Grabens hinweg den verwirrten Magier und seine auferstandene Tochter sehen konnten. Khalis rief etwas, das sie nicht verstehen konnten, redete dann eindringlich auf Atalis ein, aber sie achtete nicht auf ihn. Ihr Blick suchte den Himmel über dem Graben nach Dschinnen ab, und wo immer sie welche fand, holte sie sie mit einer Geste aus der Luft und zerfetzte sie.
»Warum… kann sie so was?«, stammelte Ifranji.
Sabatea schüttelte den Kopf. Nichts von dem, was da geschah, war von Khalis so geplant gewesen. Die verzweifelte Miene des Zauberers sprach Bände. Atalis lebte, aber sie tat es nicht mit Hilfe des Dritten Wunsches.
»Als hätte sie sich aus eigener Kraft entschieden, zu erwachen«, flüsterte Sabatea.
»Entschieden?«
»Sieh dir an, welche Macht sie besitzt. Khalis hat nie erwähnt, dass Atalis eine Magierin ist. Das da unten… das ist nicht richtig. Irgendwas ist schiefgegangen.«
Und dann erinnerte sie sich schlagartig an etwas, das Khalis zu ihr gesagt hatte, in seinen Gemächern in Bagdad:
»Als zweiten Wunsch forderte ich von dem Ifrit, mir einen anderen mächtigen Geist zur Seite zu stellen. Ich wurde zum Opfer meiner eigenen Maßlosigkeit. Der Ifrit wirkte seinen Wunschzauber, doch alles was geschah, war… dass meine Atalis, mein Kostbarstes… dass sie leblos zusammenbrach. Sie war wie tot, atmete nicht mehr, ihr Herz stand still. Und doch ist noch Leben in ihrem Verstand oder ein Schatten von Leben.«
Khalis hatte sich getäuscht. Und sie alle mit ihm.
Er hatte geglaubt, das Leben, das er in Atalis Körper gespürt hatte, sei ein letzter glimmender Funke ihrer eigenen Kraft. Ein Hauch ihres unbeugsamen Willens. Er war der Meinung gewesen, dass der mächtige Geist, den der Ifrit für ihn hatte herbeirufen sollen, nie erschienen war und ihm stattdessen in einem hinterlistigen Streich die Tochter geraubt hatte.
Die Wahrheit aber war eine andere, und Sabatea erkannte es jetzt mit solcher Deutlichkeit, dass sie sich fragte, weshalb keiner von ihnen schon früher darauf gekommen war.
Der fremde Geist war erschienen, und er war geradewegs in Atalis gefahren. Vielleicht freiwillig, vielleicht auch gegen seinen Willen. Während der ganzen Reise war er in ihr gewesen, hatte geduldig abgewartet, bis sein Ziel nahe vor ihm lag.
Nachtgesicht hatte Recht gehabt. Jibril war nicht Qatum, er war niemals Qatum gewesen.
Sie hatten sich auch keinen Wettlauf mit ihm geliefert. Vielmehr hatte sich Qatum nie aus eigener Kraft auf den Weg nach Skarabapur gemacht.
Sie selbst hatten ihn hierhergebracht. Er war bei ihnen gewesen, die ganze Zeit über. Zuvor hatte er jahrelang ausgeharrt, hatte gewartet, gelauert, bis Khalis endlich einen Weg gefunden hatte, das verlorene Skarabapur wiederzuentdecken.
Sabateas Blick geisterte verstört über die schwirrenden Dschinne am Himmel, die nun in immer größerer Zahl herbeieilten und von Atalis’ Macht zerrissen wurden. Im Hintergrund tobte der himmelhohe Wirbelsturm, und davor, wie ein Ableger davon, der viel kleinere, den Nachtgesicht lenkte.
Unten in der Grube aber wandte Atalis sich für einen Augenblick von den aufgebrachten, panischen Dschinnen ab, drehte sich um und sah ihren niedergeschmetterten Vater an. Khalis konnte sich vor Entkräftung kaum mehr auf den Beinen halten, und die flimmernde Kugel, die sie beide umgab, löste sich mehr und mehr auf.
»Du bist nicht Atalis«, hörte Sabatea ihn sagen, und er wiederholte es ein ums andere Mal, während Atalis in ihrem Kleid aus Sand und Honig die Arme hob und beide Hände fast zärtlich an die Wangen des Alten legte.
Mit einer blitzschnellen Bewegung stieß sie beide Daumen in seine Augäpfel.
Khalis kreischte wie von Sinnen, als er in die Knie brach. Atalis hielt noch immer sein Gesicht, legte
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