Sturmkönige 03 - Glutsand
die vier auf ihren Elfenbeinpferden zur anderen Seite getragen. Nur wenige Worte waren gewechselt worden. Das Ende der Dschinne hatte Menschen und Roch einander nicht nähergebracht, aber Crahac schien, stärker noch als zuvor, zu akzeptieren, dass es die Aufgabe seines Volkes war, künftige Reisende von den Ruinen Skarabapurs fernzuhalten. Es würde immer wieder jemanden geben, der sich auf die Suche danach machte, Träumer, die wilden, fantastischen Zielen nachjagten, und manch einer würde wohl auch in Zukunft genug Glauben an die Stadt aufbringen, um eines Tages an den gläsernen Klippen des Untersands zu stehen und nach einem Weg über den Nebel zu suchen.
Bei ihrem Abschied hatte Crahac sich verbeugt und ihnen lange nachgeblickt, als sie auf Teppich und Elfenbeinpferd weitergezogen waren.
Und nun standen sie hier, zwei Tagesreisen nördlich, und schauten hinab auf die Tote im bestickten Leichentuch der Roch. Tarik suchte nach Worten und fand keine. Der Sonnenglanz im Westen erinnerte an wogenden Honig hinter Kristall. Die Erinnerung war zu frisch, als dass ihm das noch neuen Schmerz bereitet hätte. Der Eindruck, selbst inmitten seiner Freunde allein zu sein, wurde für einen Augenblick überwältigend.
Er schnappte nach Luft, atmete Hitze ein, Schweigen und die Beklommenheit der anderen. In ihm gab es keine Worte mehr für eine Grabrede, nichts, mit dem er seinen Empfindungen Ausdruck verleihen konnte. Statt Gefühlen war da Wissen, und plötzlich dachte er, dass es genau das war, was auch Maryam gerne gehört hätte. Keine rührseligen Erinnerungen.
Nur Wissen. Erkenntnis.
Da entschied er, ihnen von Jibril zu erzählen, von allem, was er im Augenblick seiner kurzen Vereinigung mit dem Dritten Wunsch erfahren hatte. Er fand es richtig, dass es das Letzte war, das Maryam in dieser Welt zu Ohren kam.
»Die Roch sind bei ihrem ersten Versuch, die Wunschmacht in Skarabapur zu horten, gescheitert«, begann er mühsam. »Zwar hatten sie einen Weg gefunden, die dritten Wünsche der Ifrit dorthin zu leiten, aber sie besaßen nichts, um sie zu sammeln und sicher aufzubewahren. Schließlich haben sie die Kontrolle darüber verloren… aber das alles wisst ihr schon. Es kam zum Ausbruch der Wilden Magie und zur Geburt der Dschinne. Die Dschinnfürsten haben die letzten überlebenden Rochmagier zu einem zweiten Versuch verleitet, sich die Wunschmacht Untertan zu machen. Nur dass sie diesmal klüger vorgegangen sind und nach einem Gefäß gesucht haben, das stark genug war, der Macht des Dritten Wunsches standzuhalten.«
»Und da kamen sie ausgerechnet auf ein Kind?«, fragte Ifranji über das offene Grab hinweg.
»Nicht irgendein Kind. Ajouz und Nasmat waren unter den Ersten, die herausgefunden haben, was in Skarabapur geschehen war. Sie waren weithin bekannt als die mächtigsten Magier ihrer Zeit, und das lag nicht zuletzt an der Tatsache, dass sie ihre Magie stets gemeinsam eingesetzt haben. Ajouz und Nasmat liebten einander, und sie bekamen einen Sohn.«
»Jibril«, flüsterte Sabatea neben ihm.
Tarik nickte. »Schließlich haben auch die Dschinne von diesem Kind erfahren. Jibril trug den Zauber beider Eltern in sich und würde sie eines Tages an Macht übertreffen. Wenn es also etwas – oder jemanden – gab, der der Wunschmacht standhalten konnte, dann war es dieser Junge. Mit Hilfe missgünstiger Magier, die Ajouz und Nasmat ihre Kräfte neideten, gelang es den Dschinnen, Jibril zu entführen und nach Skarabapur zu bringen – aus den Zauberern, die sich auf ihre Seite geschlagen hatten, wurden später die Kettenmagier. Von da an haben sie Jibril gefangen gehalten und als Gefäß für die Macht der Wünsche missbraucht, die bald von Neuem nach Skarabapur strömte.«
»Haben Ajouz und Nasmat nicht versucht, ihn zu befreien?«, fragte Nachtgesicht.
Tarik schob seine Augenklappe zurecht. Ein provisorischer Verband bedeckte seine Stirn und seinen Hinterkopf, er trug am ganzen Körper schmutzige Bandagen. Das Leder der Augenklappe drohte zu verrutschen. Seine Fähigkeit, in die andere Welt zu blicken, war mit dem Verschwinden der Dschinnmagie verblasst, aber das fremde Auge ertrug nach wie vor kein Licht.
»Die beiden mussten eine Entscheidung treffen. Entweder konnten sie versuchen, Skarabapur zu finden und Jibril zu retten – was selbst für sie angesichts Tausender Dschinne kein Leichtes gewesen wäre –, oder aber sie verwendeten ihre gesamte Magie darauf, einen letzten, allumfassenden
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