Sturmkönige 03 - Glutsand
ging unter in einem maßlosen Getöse in der Ferne, weiter im Süden, wo die gewaltige Glasscholle schlagartig ins Schwanken geriet, als es die Mächte, die sie in der Luft gehalten hatten, von einer Sekunde zur nächsten nicht mehr gab.
Der zweite Jibril oben in den Knochen bewegte ebenfalls den Mund, sprach denselben Satz, und diesmal meinte Sabatea die Worte von seinen Lippen ablesen zu können.
Ich wünsche, dass die Dschinne nicht mehr existieren.
Der Roch sackte leblos über Tarik zusammen, als der Narbennarr ein für alle Mal aus der Welt verschwand.
Überall auf dem gläsernen Platz vor dem Thron lösten sich die Leichen der Dschinnkrieger in Luft auf. Rund um die Glasscholle strömten die überlebenden Schwarmschrecken in Panik davon, während ihre Meister plötzlich verblassten. Gleich darauf sank die Scholle tiefer, kippte im Sturz zur Seite und stürzte hochkant vom Himmel, als mit den Dschinnen auch ihre Magie nicht mehr existierte. Unter ohrenbetäubendem Lärm rammte sie in den gläsernen Irrgarten Skarabapurs, begrub Kriegsmaschinen und Kreaturen unter zertrümmerten Straßenzügen.
Sabatea schleppte sich zu Tarik, zerrte den toten Roch von ihm herunter und sank an seine Seite. Er tastete nach ihrer Hand und zog sie mit letzter Kraft auf die nasse Wärme unterhalb seiner Brust.
»Nein«, flüsterte sie.
Ihr Blut vereinte sich mit seinem.
Tarik schüttelte den Kopf, zu kraftlos, um noch etwas zu sagen. Vielleicht hätten ihn auch die anderen Wunden umgebracht, aber diese hier war sein Todesurteil – Sabatea musste das ebenso gut wissen wie er. Er wollte es jetzt zu Ende bringen, während er die Entscheidung noch selbst treffen konnte, wollte nicht tage- oder wochenlang sterbend durch die Wüste getragen werden, ehe ihn der Wundbrand dahinraffte oder der Schmerz seiner zerfetzten Eingeweide. Sein Mund füllte sich wieder mit Blut, das wie Erbrochenes nach oben stieg, und er spürte, dass sein Herz nur unter entsetzlichen Anstrengungen weiterschlug und trotzdem immer wieder aussetzte, nicht aufgeben wollte, aber einfach zu schwach war, um gegen die Zerstörungen im Inneren seines Körpers anzukämpfen. Seine gebrochenen Beine waren eine lächerliche Verletzung im Vergleich zu all dem anderen. Splitter steckten viel tiefer in ihm, als er bisher hatte wahrhaben wollen, jeder Atemzug brannte höllisch, und manchmal bekam er überhaupt keine Luft mehr. Er wollte leben, wollte weitermachen, irgendwie, für Sabatea und das, was zwischen ihnen entstanden war, aber er konnte es nicht mehr. Und er sah ihr an, dass sie die Wahrheit längst kannte, dass sie es in jenem Moment gewusst hatte, als sie ihn am Fuß des Knochenthrons erreichte und ihm in die Augen blickte, und dass der Kampf mit Amaryllis nur besiegelt hatte, was schon vorher festgestanden hatte.
Sie versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen, von ihm abzurücken, das Gift aus ihren Adern von ihm fernzuhalten. Aber seine Finger hielten sie fest, und als er noch einmal solche Kräfte aufbrachte, Kräfte, über die nur Sterbende verfügen, musste auch sie erkennen, dass es zu spät war. Das Gift machte es schnell und sauber, verringerte den Schmerz, den er kaum mehr ertragen konnte. Und besser noch: Es war etwas, das ihr gehörte und ihm nun zu Hilfe kam, und er hoffte, dass sie das verstehen und ihm vielleicht irgendwann verzeihen würde.
»Du verfluchter Scheißkerl!«, brüllte sie ihn an, zog und zerrte an ihrer Hand, konnte nicht fassen, wie stark er mit einem Mal wieder war, und wusste zugleich, woher diese Stärke kam und was sie zu bedeuten hatte.
Um sie herum wurde die Welt von den Dschinnen gereinigt, aber nichts auf der Welt vermochte sie zu reinigen, den Tod in ihrem Körper, den sie immer nur anderen brachte, aber niemals sich selbst. In ihr flackerte der Gedanke auf, dass sie Tarik folgen wollte, wenn nicht so, dann anders, es gab genug Wege, um dorthin zu gelangen, wo er nun hingehen würde.
Blutige Bläschen erschienen auf seinen Lippen, und sie sah, dass Krämpfe ihn schüttelten und wie sehr er sich dennoch bemühte, ihr den Eindruck eines ruhigen, schmerzlosen Endes vorzugaukeln, obwohl sie es doch besser wusste, weil sie es so viele Male hatte mit ansehen müssen, wieder und wieder und wieder. Den Hass, den sie dabei für sich selbst empfunden hatte, hatte erst Tarik ihr ausgetrieben. Doch nun sollte abermals sie die Schuld an einem Tod tragen, seinem Tod, und das war nach allem, was sie erlebt hatte,
Weitere Kostenlose Bücher