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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Er hatte Mühe, sich mit den zerfetzten Schwingen in der Luft zu halten, und machte keine Anstalten, Junis zu verfolgen. Mit trägem Flügelschlag hing er in der Nacht, während tief unter ihnen der Rauch fast kreisförmig den Boden verhüllte.
    Wären die Dschinne ihnen gefolgt, dann hätten sie bereits hier sein müssen. Offenbar hatte der Schweif aus Qualm und stinkenden Gasen Junis gut genug getarnt. Aber allzu lange durfte er sich nicht am Himmel über dem Lager aufhalten, sonst würde ihn zwangsläufig eine der Patrouillen aufstöbern. Die Ränder des Heeres, vor allem nach Bagdad hin, waren lückenlos gesichert, aber hier, mitten über der brodelnden Masse aus Dschinnen, Menschensklaven und Kreaturen der Wilden Magie, blieb ihm womöglich noch etwas Zeit, bevor er in der Dunkelheit jemandem auffiel.
    Seine Orientierung kehrte gemeinsam mit seinem Gleichgewichtsgefühl zurück. Sein Halt auf dem Teppich stabilisierte sich. Nach einem Moment wechselte er von den Knien wieder in den Ausfallschritt, ohne das Gefühl zu haben, nach einer Seite überzukippen. Er sandte einen Dank hinab ins Muster und erntete dafür ein wohlmeinendes Ziehen und Zittern der Stränge.
    Der verletzte Falter drehte bei und flog taumelnd in die andere Richtung davon. Er hatte mehrere Männer getötet, aber Junis verspürte keinen Hass auf die Kreatur. Sie war nur eine Waffe der Dschinne, so willenlos wie ein Schwert. Er konnte kein Werkzeug hassen, auch nicht nach allem, was er mit angesehen hatte.
    Der Gestank der schmelzenden Leiber hatte sich in seinen Atemwegen festgesetzt, in seiner Kleidung, in seinem langen Haar. Sein rechter Arm schmerzte noch immer, aber die Säuretropfen hatten keinen großen Schaden angerichtet. Nur oberflächliche Verbrennungen, die er erst wirklich spüren würde, wenn er jemals wieder zur Ruhe käme. Was, wie die Dinge lagen, nicht abzusehen war.
    Jibril war irgendwo dort unten, davon war er überzeugt. Die Dschinnfürsten hätten den Jungen nach der Schlacht im Gebirge töten können, als er geschwächt über den Gipfeln schwebte, eingewoben in einen ersterbenden Zauber aus Licht. Stattdessen hatten sie ihn gefangen genommen. Sie mussten gespürt haben, dass sich hinter der unscheinbaren Fassade des Kindes etwas verbarg, das ungleich mächtiger, älter und bedeutsamer war.
    Noch schützte die Dunkelheit Junis, aber das würde nicht ewig so bleiben. Er musste schleunigst irgendeinen Anhaltspunkt finden, etwas, das ihm verriet, wo Jibril sich aufhielt. Nur wie? Wenn er tiefer ging, würde man ihn entdecken. Und von hier oben aus war das Lager ein wuselnder Teppich aus Pulks bizarrer Wesen – Dschinnkrieger, schlafende Herden von Schwarmschrecken und Sandfalter mit angelegten Flügeln. Es gab keine Zelte, und er hatte auch keine erwartet. Stattdessen hatte die ungeheuerliche Masse aus Kreaturen mindestens zwei verlassene Dörfer am Ufer des Tigris vereinnahmt. Auf den Dächern kauerten Hunderte Dschinne eng beieinander wie rastende Vogelschwärme. Ein paar Dutzend Schwarmschrecken hafteten an den Turmwänden einer kleinen Moschee und rührten sich nicht. Auf ihren angelegten Libellenflügeln glitzerten Reflexionen der Feuer am Boden, ihre hässlichen Schädel hatten sie tief in die Hornpanzer gezogen.
    Und dann waren da die alten Ruinen, die sich an manchen Stellen aus der Wüste erhoben. Vorzeitliche Tempelfundamente, halb zerfallene Mauern, eingestürzte Türme. Unter einer dieser Anlagen befand sich die unterirdische Kuppel, aus der Junis entkommen war. Er erkannte sie am Rauch, der noch immer aus der Tiefe aufstieg. Ein dichtes Gewimmel aus Dschinnen scharte sich um den Zugang zur Unterwelt.
    Sicher lagerten die Dschinnfürsten nicht mit ihren Untergebenen im Freien. Die Dörfer kamen als Unterschlupf in Frage, aber er hielt die antiken Ruinen für wahrscheinlicher. Im Sternenschein konnte er mindestens drei solcher Anlagen erkennen, aber er vermutete, dass es noch weitere gab, vor allem entlang des Tigris.
    Junis beschloss, sich als Erstes die größten und am besten erhaltenen Ruinen am Flussufer anzusehen. Er würde Ausschau nach besonders eng geballten Formationen aus Dschinnkriegern halten. Und nach Kettenmagiern. Bei der Erinnerung an sie zog sich sein Magen zusammen. Er war gerade erst unter großem Glück mit dem Leben davongekommen; er rechnete nicht damit, dass es das Schicksal ein zweites Mal so gut mit ihm meinte. Allein der Gedanke an die Kettenmagier kostete ihn Überwindung. Er hatte mit

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