Sturmkönige 03 - Glutsand
den Nacken gelegt. Sein Gewand flatterte, sein langer grauer Bart wehte fadendünn im Gegenwind.
Der Magier teilte das Gewitter.
Sein Zauber schnitt eine Schneise in die Wolkenfront, in das Netzwerk aus Blitzen, in die prasselnden Regenvorhänge. Er trieb einen himmelblauen Keil in das dunkle Brodeln, das sich über die Welt gelegt hatte. Sonnenstrahlen funkelten dann und wann über die tosenden Ränder rechts und links ihres Weges hinweg, erzeugten eine Vielzahl kleiner Regenbögen, die sich wie Brücken über ihren Köpfen von einer Seite der Schneise zur anderen spannten.
Die Teppichreiter flogen in einer dreieckigen Formation nach Süden, Khalis vorn an ihrer Spitze. Tarik fiel das Atmen schwer, und er glaubte, dass der Grund dafür nicht allein die beeindruckende Darbietung des Magiers war. Es war, als hätte sich um ihn eine zweite, viel zu enge Haut zusammengezogen, die nicht nur das Luftholen erschwerte, sondern zudem entsetzlich juckte. In Anbetracht des Spektakels, das um sie tobte, mochte das lächerlich sein – aber allmählich nahm das unangenehme Kribbeln und Zwicken solche Ausmaße an, dass es einer langsamen, äußerst subtilen Folter glich. Auch die anderen kratzten sich an Haut und Kleidung, anfangs noch verstohlen, allmählich immer energischer und offensichtlicher.
Sabatea beugte sich von hinten an sein Ohr. »Ich wette, er macht das absichtlich.«
»Glaubst du nicht, dann hätte er sich etwas Bösartigeres einfallen lassen?«
Kurioserweise juckte Tariks linke Hand am stärksten, aber er wagte nicht, sie inmitten des Unwetters aus dem Muster zu ziehen. Die Gewissheit, dass er nichts dagegen tun konnte, machte es noch schlimmer. Schon seit einer Weile hatte er Mühe, an irgendetwas anderes zu denken.
Allerdings linderte ein Blick hinüber zu Almarik sein Unbehagen beträchtlich: Das Kettenhemd des Byzantiners machte jeden Versuch zunichte, etwas gegen das quälende Jucken zu unternehmen. Dem Ifritjäger lief der Schweiß in Strömen übers Gesicht. Er hatte den schwarzen Helm seit ihrer ersten Begegnung mit den Dschinnen nicht wieder aufgesetzt, und nun wischte er ihn in einem unbedachten Reflex vom Teppich. Die Eisenschale mit dem dünnen Kettenschleier verschwand in der Tiefe. Almarik fluchte lauthals, während er wie besessen seinen Nacken kratzte. Tarik grinste still in sich hinein.
Sabatea knuffte ihn in die Seite. »Schadenfreude ist ein wirklich schäbiger Charakterzug.«
»Einer meiner besten.«
Sie erwiderte etwas, das er nicht verstehen konnte, denn in diesem Augenblick krachte ein besonders heftiger Donner ganz in ihrer Nähe. Khalis wurde aus seiner Konzentration gerissen und drohte das Gleichgewicht zu verlieren. Es war, als hätte jemand den Donner gezielt gegen ihn gerichtet, als wehre sich das Unwetter gegen den Einfluss des Magiers.
Khalis’ Teppich geriet ins Schwanken, und mit ihm der schwere Honigzylinder, der hinter dem Alten auf dem Knüpfwerk befestigt war. Falls der Teppich auch nur einen Lidschlag lang an Festigkeit verlor, würde das Kristallgefäß abstürzen und seinen Reiter in den Abgrund reißen. Erst jetzt, als Tarik die Auswirkung des Donners auf den Magier mit ansah, wurde ihm klar, auf was für ein gefährliches Spiel Khalis sich eingelassen hatte. Das Jucken wurde schlagartig nebensächlich, während er fürchtete, der alte Mann könne endgültig die Kontrolle verlieren. Die tobenden Ränder der Gewitterschneise bildeten Wolkenarme, die wie Enterseile über die blaue Leere schnellten, bestrebt, die Lücke rasch zu schließen. Schon rückten die Seiten aufeinander zu, die Sonnenstrahlen wurden abgeschnitten und verblassten. Verwehte Regentropfen nieselten auf Tariks Haut, während sich die prasselnden Wasservorhänge rechts und links ihres Weges zusammenzogen.
Khalis stieß zornige Beschwörungen aus. Der Flug seines Teppichs stabilisierte sich schlagartig. Der Honig im Schrein mit den beiden toten Frauen schwappte nicht mehr, das Schwanken ließ nach. Die Wolkenfronten trieben mit einem Grollen erneut auseinander, der Regen zog sich zurück. In rascher Folge bildeten sich oberhalb der Schneise mehrere neue Regenbögen, klarer und farbiger als zuvor, einer neben dem anderen, wie ein schillernder Tunnel, durch den die vier Teppiche südwärts rasten.
Aus dem Augenwinkel sah Tarik, dass Ifranji hinter Nachtgesicht staunend den Mund aufriss und zu dem atemberaubenden Schauspiel emporstarrte. Sie kam ihm mit einem Mal sehr jung vor, als wäre die harte
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