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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Bedeutete das, dass die Roch – oder was von ihnen übrig war – auf der Seite des Feindes standen? Dass die Dschinne und sie sich verbündet hatten?
    Aber warum griffen sie dann nicht an?
    Sie hatte den Gedanken kaum gefasst, da wurden die fliegenden Pferde vor ihr langsamer. Die übrigen rückten von beiden Seiten näher. Einer der Reiter verließ die Formation, kam bis auf wenige Meter heran und deutete mit einem Wink in die Tiefe.
    »Komm mit uns«, sagte er mit rauer Stimme, krächzend, als hätte er die Sprache der Menschen seit langer Zeit nicht mehr benutzt.
    »Wohin?« Seltsamerweise spürte sie keine Panik, nur eine Art Lähmung, als seien die Schrecken dessen, was sie von den Roch zu erwarten hatte, zu groß, um mit Angst oder Flucht darauf zu reagieren.
    Die Züge des Reiters waren so lang gestreckt wie sein Körper; aus der Nähe betrachtet wirkten sie menschlicher, als sie erwartet hatte. Nur seine Mundpartie war vorgewölbt, als wäre die Gesichtshaut über einen Schnabel gespannt. Seine Augen glänzten groß und dunkel, und es gab kaum Weiß rund um die Iris; sie wirkten entzündet und wässrig. Auf seinem Kopf wuchs dünner Haarflaum, nicht die Federn, von denen in den Mythen die Rede war, und die schmalen, eigentümlich schönen Hände, mit denen er die Zügel seines Zauberpferdes hielt, hatten keine Ähnlichkeit mit Vogelkrallen.
    Er deutete auf ihr makelloses Elfenbeinpferd. »Hast du es gezähmt?«
    Sie grub ihre Hände noch tiefer in die weiße Mähne. »Niemand hat es gezähmt. Es trägt mich, weil es das will.«
    Der lange Kopf des Roch ruckte herum. Er riss den Mund auf und stieß ein Raubvogelkreischen in die Richtung der anderen aus. Ihr kroch eine Gänsehaut über den Rücken, als sie sah, wie seine Zunge dabei zwischen den Lippen hervorstieß – sie war spitz und schwefelig gelb.
    Er wandte ihr wieder das Gesicht zu, blinzelte mehrmals, während er sie musterte. Der Anschein des Menschlichen fiel mehr und mehr von ihm ab, auch wenn er sich äußerlich nicht veränderte.
    »Folge uns«, befahl er knapp.
    »Ich bin auf dem Weg nach Skarabapur.«
    Er reagierte nicht darauf, deutete nur abermals in die Tiefe, geradewegs in das diffuse Glühen unter dem Nebel. »Dort hinunter.«
    »Ist da… Skarabapur?«, flüsterte sie- und sah im selben Augenblick etwas anderes, das sich weit voraus aus den Nebeln schälte. Der Umriss einer enormen Masse, die ein Berg sein mochte – oder die verschwommene Silhouette einer Stadt. Es war, anders als vorhin, kein Streich, den ihr die Dunstphantome spielten. Das dort vorn war die Wirklichkeit und ebenso massiv wie die steinernen Labyrinthe von Bagdad und Samarkand.
    Nur größer. Unfassbar größer.
    Ihr Elfenbeinpferd wieherte erschrocken auf, als die anderen von beiden Seiten heranpreschten und sie enger in ihre Mitte nahmen. Noch hatten die Roch ihr keinen Grund gegeben, sie zu fürchten. Niemand bedrohte sie. Sie versuchten, sie einzuschüchtern – Versuchen?, dachte sie. Ach, komm schon! –, aber sie richteten keine Waffen auf sie, obwohl doch Lanzen in Lederköchern an ihren Sätteln hingen und mindestens zwei von ihnen Pfeil und Bogen trugen.
    Ihr Leben lang war sie gut darin gewesen, sich aus den schlimmsten Situationen herauszureden. Sie verstand sich aufs Lügen und Schmeicheln, und sie hatte einen starken Willen. Nun aber fürchtete sie, dass nichts von alldem ihr helfen würde, wenn sie erst mit den Roch in die Tiefen dieses Abgrunds vorstieß. Andererseits: Sie wusste nichts über Skarabapur und den Dritten Wunsch. Die Roch hingegen… Nun, was blieb ihr übrig?
    Sie nickte dem Anführer zu.
    Erneut stieß er ein markerschütterndes Krächzen aus. Die anderen nahmen den Ruf auf. Die vier Reiter vor ihr lenkten ihre Rösser abwärts. Und dann, als hätte es jedes Wort verstanden, senkte auch ihr eigenes Elfenbeinpferd das Haupt und trug sie durch das wabernde Gold in die Tiefe.

 
Die Entdeckung
     
     
    »Eine Brücke!«, rief Nachtgesicht, noch ehe sich sein Teppich auf dem heißen Glas ausbreitete. »Keine vier Stunden westlich von hier!«
    Es war spät am Nachmittag, als die Geschwister von ihrem Erkundungsflug zurückkehrten. Sie waren am Morgen gleich nach Sabatea aufgebrochen. Tarik hatte nur kurz aufgesehen, als sie davongeflogen waren, und seine Aufmerksamkeit wieder auf den Abgrund gerichtet, auf das Nebelwogen in der Tiefe und die Bewegungen, die er manchmal darin sah.
    »Was für eine Brücke?«, knurrte Almarik. Seit Stunden

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