Sturms Jagd

weißt du? In dem hängen zwölf Walzen in sechs Etagen, also immer zwei Walzen auf jeder Etage, die sich gegenüberliegen und aufeinanderzudrehen. Ist das gleiche Prinzip wie beim Gartenhäcksler. Das oberste Walzenpaar hat den größten Abstand zueinander, das unterste den kleinsten. Die Teile sehen aus wie diese Rollen beim Teppichhändler, nur dass sie nicht aus flauschigem Velours bestehen, sondern mit messerscharfen Spitzen bestückt sind. Die gelbe Lampe und die Sirene sind übrigens zum Schutz gedacht, als Warnsignal, damit niemand aus Schusseligkeit in das Loch fällt. Das wäre sein Ende. Dann würde er eines Tages in einem Blumentopf enden oder auf einem Feld. Als Dünger.«
    »Aha«, sagte Laura. »Wäre da ein Geländer oder ein Zaun nicht effektiver? Wenn jemand versehentlich auf den Knopf drückt …«
    »Auf den Knopf drücken ist gut. Schau mal da rüber.« Er deutete auf zwei Männer, die auf einem kleinen Podest am Rande des äußeren Quadrats standen und aufmerksam beobachteten, wie die Mühle den Knochenberg geradezu einsaugte. Beide Männer hatten jeweils hinter einer Konsole Aufstellung genommen, die wie ein Schaltpult aussah. Diese Pulte wiederum befanden sich rund anderthalb Meter voneinander entfernt.
    »Es ist nicht möglich«, erklärte der Metzger, »versehentlich auf den Knopf zu drücken. Dahinter steckt ein ganz ausgefeiltes Sicherheitssystem. Um die Mühle zu starten, müssen zwei Knöpfe gedrückt werden, wie du siehst. Wird einer losgelassen, steht das Mahlwerk sofort still. Die Konsolen sind absichtlich so weit voneinander entfernt, damit nicht einer allein die Mühle bedienen kann. Aus Versehen geht also nicht, man braucht immer zwei Leute, um das Monster zum Beißen zu bringen.«
    Das Monster, wie er es genannt hatte, machte seinem Namen alle Ehre. Unbarmherzig fraß und zermahlte es, was ihm zwischen die Kiefer kam. Laura sah den Kopf eines Schweins, der zwischen blutigen Eingeweiden die schiefe Ebene hinabrutschte, und just in der Sekunde, da er außer Sichtweite war, knackte und knirschte und rumpelte es noch lauter, und feiner Staub erhob sich über dem Loch.
    Der Metzger war zufrieden. »Solche Technik hättest du nicht erwartet in einer Schlachterei, was?«
    Er drehte sich nach Laura um, doch die war verschwunden.

Kapitel 49
    Mara war wie vor den Kopf gestoßen. Misstrauisch musterte sie den langen Mann.
    Dieser erwiderte ihren Blick nicht, sondern eilte zur Tür, um in den Korridor zu spähen. »Die Luft ist rein«, flüsterte er. Seine körperliche Anspannung ließ merklich nach, doch seine Augen blieben hellwach.
    »Was hat das zu bedeuten?«, wollte Mara wissen. Ohne sich dessen bewusst zu sein, flüsterte sie ebenfalls.
    Der Lange antwortete nicht, sondern stellte seinerseits eine Frage. »Kann es sein, dass ich Sie gestern im Fuhrparkbüro von Smertins Fleischfabrik gesehen habe? Dazu die Pistole in Ihrer Handtasche … Sie sind Polizistin?«
    Sie nickte. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander, doch dann kam Ordnung in das Chaos, und eine Vermutung nahm Gestalt an. »Sie sind der verdeckte Ermittler, von dem der Hinweis auf den großen Coup stammt?«, stammelte sie ungläubig.
    Der Lange nickte. »Operation Schneesturm, ganz recht.«
    Er stellte sich als Oliver Greiner vor und berichtete in prägnanten Sätzen von dem gerade stattfindenden Banküberfall, ohne Mara damit viel Neues zu verraten, denn das Meiste deckte sich mit ihren Vermutungen. Sie sprachen sehr leise, was nicht verhinderte, dass die Geiseln Bruchstücke der Unterhaltung aufschnappten. Das sorgte für noch größere Anspannung, und sie mussten die Leute mit Gesten zur Ruhe ermahnen.
    Als Greiner mit seinem Kurzbericht fertig war, schaute er Mara besorgt an und klopfte sich mit der Faust an die Stelle, an der er zuvor bei ihr den Handballenstoß platziert hatte. »Alles in Ordnung? Ich hoffe, ich habe nicht zu fest zugeschlagen?«
    »Geht schon wieder. Der Typ mit der Clownsmaske hat mir vorhin ins Kreuz geboxt, das war viel schlimmer. Was ist das für ein Spinner? Der kommt mir vor wie ein Psychopath. Ist der irre?«
    Der Lange zuckte die Achseln. »Scheint so. Er heißt Guido Kippling, Spitzname Kippe. Saß in der Vergangenheit mehrfach wegen Vergewaltigung. Vorhin hat er unten im Tresorraum den Stellvertretenden Bankdirektor erschossen. Glatter Kopfschuss …« Er unterbrach sich, als ihm bewusst wurde, dass er davon besser nicht in Gegenwart der Geiseln erzählt hätte. Sofort machte sich allgemeine