Sturms Jagd
Zielfernrohre von militärischen Kommandos oder Spezialeinheiten der Polizei verwendet, aber auch von Jägern, die es ernst meinten. Von Jägern wie ihm.
Die Dämmerung war bereits weit fortgeschritten, es war fast dunkel, doch dank des beleuchteten Fadenkreuzes, dem Absehen , wie es in der Sprache der Schützen hieß, konnte er alles aufs Korn nehmen, was sich in einer Entfernung von 300 Metern rund um den Hochsitz befand. Hinzu kam, dass er ein Könner war, ein Meisterschütze, der in jeder Spezialeinheit der Welt hätte mithalten können, etwa bei einem SEK der Polizei. Aber die hatten ihn verschmäht, diese törichten Bürokraten, genauso wie die dämlichen Möchtegern-Rambos von der Bundeswehr. Und das nur, weil sein linkes Bein ein klein wenig kürzer war als das rechte. Seit wann musste ein Präzisionsschütze rennen können?
Er nahm einen Schluck aus dem Flachmann, um den Ärger hinunterzuspülen, den er jedes Mal empfand, wenn er darüber nachdachte. Dann hob er das Gewehr wieder an die Schulter und ließ das Fadenkreuz auf Wanderschaft gehen.
Da stand ein Kastanienbaum, über 130 Meter entfernt, doch die einzelnen Blätter waren immer noch gut zu erkennen. 70 Meter weiter sah er einen Graben mit verfilztem Gesträuch, und noch mal knapp 90 Meter dahinter befand sich die Schranke mit den rot-weißen Streifen, die den Saumpfad vom Parkplatz trennte und verhinderte, dass andauernd irgendwelche fußkranken Vollidioten mit dem Auto in den Wald fuhren: Paare, die es auf dem Rücksitz miteinander trieben, Familien, die Pilze suchten, oder einfach nur Schmutzfinke, die ihren Müll in die Landschaft warfen. Sollte er irgendwann einen dabei erwischen, würde es einen heißen Tanz geben, so viel war sicher.
Jenseits der Schranke entdeckte er seinen Jeep, den er neben einer Brombeerhecke geparkt hatte, sowie einen weißen Kleintransporter, der vorhin noch nicht dort gestanden hatte. Reichlich spät für einen Spaziergänger. Merkwürdig.
Aber was war das? Der Wagen bewegte sich, hielt auf die Schranke zu, doch er hatte kein Licht eingeschaltet. Wieso, zur Hölle, fuhr der Kerl bei Dunkelheit ohne Licht? Und was hatte er so spät noch hier zu suchen? Wer war das? Ein Wilderer? Oder einer dieser klammheimlichen Müllentsorger, über die er gerade noch nachgedacht hatte? Wehe!
Unmittelbar vor der Absperrung hielt der Wagen. Sah aus wie ein Mercedes Vito. Oder nein, eher wie ein Sprinter. Konnte allerdings auch ein VW Transporter sein. Schwer zu sagen. Die Beifahrertür wurde aufgestoßen, gleich darauf öffnete sich die seitliche Schiebetür. Vier Typen sprangen ins Freie, schauten sich nach allen Seiten um. Einer wurde auf den bei der Brombeerhecke stehenden Jeep aufmerksam, umrundete ihn, leuchtete mit einer Taschenlampe ins Innere. Dabei ging er äußerst gründlich zu Werke und quetschte sich sogar zwischen Brombeeren und Beifahrerseite vorbei, um hineinzuschauen. Die anderen riefen ihm etwas zu, doch als der Kerl seine Inspektion beendet hatte, gestikulierte er beschwichtigend.
Was sollte das? Was suchten diese Blödmänner da? Waren das Autoknacker, die auf Radios aus waren? Wehe, wenn sie sich an seinem Jeep vergriffen!
Dirk Bukowski setzte das Gewehr mit dem teuren Zielfernrohr ab und lehnte es gegen das Geländer des Hochsitzes. Hastig griff er zum Fernglas, dessen Optik sogar noch besser war als die des Rohres. Dank des Restlichtverstärkers konnte er die merkwürdigen Figuren ziemlich gut erkennen. Einer sah aus wie ein Hippie, mit so einem komischen Hahnenkamm auf dem Kopf. Nein, Punks nannte man solche Typen, oder? Egal. Die anderen waren unauffälliger.
Was machten diese Vögel da, verdammt?
Bukowski duckte sich, was eine reine Vorsichtsmaßnahme war, denn die Gefahr, entdeckt zu werden, tendierte gegen null. Es machte sich bezahlt, dass der Hochsitz mit einem Tarnnetz abgehängt war. Das Teil stammte aus Bundeswehrbeständen.
Derweil hantierten zwei der Kerle an der offenen Seitentür des Sprinters, um schließlich etwas ins Freie zu zerren, ein längliches Paket, das aussah wie ein zusammengerollter Teppich. Und dieser Teppich schien so schwer zu sein, dass es den Trägern augenfällige Mühe bereitete, ihn zehn Meter weit in Richtung Randbegrünung zu schleppen. Mehrere Male fiel die mysteriöse Rolle hin, mehrere Male wurde sie wieder aufgehoben, und es war deutlich zu sehen, dass alles in großer Eile geschah. Offenbar legten die Typen keinen Wert darauf, erwischt zu werden. Das wiederum
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