Sturmsegel
bleibe bei Euch, wenn Ihr es mir erlaubt«, entgegnete sie. »Ich werde meinen Vater benachrichtigen, sobald wir in Dänemark sind. Sollte die Blockade Stralsunds schon beendet sein, wird ihn der Brief sicher erreichen. Und ihr braucht auch nicht zu fürchten, dass Ihr für mich sorgen müsst. Ich werde versuchen, eine Anstellung zu bekommen.«
Svensson lächelte und legte ihr mit einer väterlichen Geste die Hand auf die Schulter. »Das ist sehr ehrenhaft von dir. Vielleicht hat man in Kopenhagen auch schon Kunde davon, ob deine Stadt mittlerweile befreit ist. Ich bete zu Gott, das dem so ist und dein Brief sein Ziel erreicht.«
»Da seid Ihr ja!«, begrüßte sie der Kapitän von der Reling aus. Offenbar hatte er bereits Ausschau nach ihnen gehalten. »Dann können wir ja ablegen.«
Angesichts der wilden Erscheinung des Mannes, fragte sich Anneke, was für ein Kapitän er überhaupt war.
Sie hatte in Stralsund Geschichten von Schmugglern und ihren schnellen Schiffen gehört. War er einer von ihnen?
Die Blicke, mit denen sie die Männer auf Deck betrachteten, waren Anneke unangenehm.
»He, seht mal, da hinten brennt es!«, rief plötzlich einer der Seeleute. Diese Worte durchzuckten Anneke wie ein Peitschenhieb. War das etwa die Schenke?
Ein Schauder erfasste sie. Ingas Worte hallten in ihr nach. Sie werden mich nicht holen!
Hatte sie damit gemeint, sie würde Feuer legen?
Wenn ich nicht mit Ingmar gegangen wäre, wäre ich im Schlaf verbrannt. Der Gedanke schnürte ihre Kehle zu.
Obwohl sie bei der Hinfahrt gern an Deck gestanden hatte, war sie nun froh, als der Kapitän sie anwies, in die Kajüte zu gehen.
Sie wollte nicht mehr an die Schenke denken und auch nicht wissen, womit Inga Rache an ihrem untreuen Mann und der Magd nahm.
*
Die Kajüte, in der sie die Fahrt verbringen würden, war eigentlich zu klein für drei. Es gab zwei Kojen und an den Balken war eine Hängematte befestigt.
Hendrick Svensson musste damit gerechnet haben, dass sie mitfahren würde. Warum hätte sonst der Kapitän die Kajüte für drei herrichten lassen?
»Lass das Mädchen in einer Koje schlafen«, beschied Ingmars Vater, nachdem er seinen Seesack abgelegt hatte. »Wir wechseln uns in der Hängematte ab.«
»Aber ich kann doch während der gesamten Fahrt darin schlafen«, entgegnete Ingmar.
»Und in Kopenhagen bist du dann krumm wie ein Angelhaken! Nein, wir teilen uns die Hängematte!«
Ingmar schien eine Erwiderung auf der Zunge zu liegen, aber er verschluckte sie. Womöglich würden sie sonst die ganze Fahrt über streiten, wer in der Hängematte liegen sollte.
Über Annekes Gesicht huschte nun wieder ein Lächeln.
Es war gut, dass sie hier war, und gut, dass sie Ingmar getroffen hatte.
Wenig später legte das Schiff ab. Durch das kleine Kajütenfenster, das nach Steuerbord hinausging, konnte sie beobachten, wie sie sich allmählich vom Festland entfernten.
Das Schiff segelte an den vorgelagerten Inseln vorbei und strebte dem offenen Wasser zu.
Hinter den Lagerhäusern des Hafens stieg nun schwarzer Rauch in den Morgenhimmel.
Anneke betete für die Seelen von Inga, Magnus und Gitta, dann richtete sie den Blick auf Tre Kronor, das sich strahlend im Sonnenlicht erhob.
Ein paar Möwen folgten der Santa Lucia für eine Weile, dann verschwanden sie ebenso wie der schmale Streifen Festland. Von nun an gab es nur noch Wasser. Und die Hoffnung auf ein neues Leben in Dänemark.
Reise ins Ungewisse
August/September 1628
»Wie gerne würde ich an Deck gehen und die Wolken über dem Schiff beobachten«, seufzte Anneke. Vier Tage waren sie bereits unterwegs, und obwohl es größere Meere gab als die Ostsee, schien diese Reise kein Ende nehmen zu wollen. »Das Herumsitzen hier unten macht mich noch ganz krank. Hoffentlich sind wir bald da.«
»Eine Weile wirst du ausharren müssen, Mädchen«, entgegnete Hendrick Svensson, der an einem Stück Holz schnitzte. Allerdings schien er kein Schiff machen zu wollen, es sah vielmehr danach aus, als würde er an einer Figur arbeiten. Anneke war irgendwie froh darüber. Tjorvens Schiffchen in ihrem Gepäck hatte sie seit ihrer Flucht aus der Schenke nicht wieder angesehen.
»Aber eigentlich solltest du das von der Hinfahrt noch wissen, dass du unter Deck bleiben sollst«, setzte Ingmar hinzu.
»Beim letzten Mal bin ich hinaufgegangen, wann immer es mir beliebte.« Sie zupfte an ihrem Rock. »Da wusste auch niemand, dass ich ein Mädchen bin. Aber jetzt …«
»Die Seeleute
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