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Sturmsommer

Sturmsommer

Titel: Sturmsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Stopp!«, hat mein Lehrer gerufen, das weiß ich noch. Und ich wollte nicht auf ihn hören. Ansonsten ist da nur ein großes schwarzes Loch.
    Dann fällt mir doch etwas ein. Lissis Gesicht. Mit aller Gewalt versuche ich mich zu konzentrieren. Doch, da war Lissi, und sie hat fast geweint und meinen Sportlehrer angeschrien. Irgendjemand muss sie geholt haben. Schließlich weiß jeder, dass wir Geschwister sind. Wann kommt denn endlich der Krankenwagen, hat sie gerufen. Und mein Kopf ruhte in ihrem Schoß. Dann hab ich neben mich geschaut, und da lag Toni auf dem Boden, mit einem nassen Tuch auf dem Gesicht. Ganz blass und bleich. Ich wollte etwas zu ihm sagen, aber das ging nicht, so sehr ich es auch versuchte. Ich wollte ihn trösten.
    Ich wusste nur: Wenn Lissi da ist, wird alles gut. Ich hab an meine Stirn gefasst, weil da etwas Warmes runterlief, in meine Haare, und meine ganze Hand war voller Blut. Ab da weiß ich wieder nichts mehr. Gar nichts.
    Ich möchte hier nicht bleiben. Das geht nicht. Ich hab doch mein Pferd und heute ist der Ausritt. Damos wartet auf mich.
    »Du, Lissi!«, sage ich mühsam. »Du, bitte kümmere dich um Damos!«
    »Natürlich mache ich das. Ich gehe gleich nachher in den Stall«, sagt sie leise und lächelt.
    »Und reite ihn immer lang genug aus, aber nimm den normalen Sattel, nicht den Turniersattel. Und gib ihm ab und zu eine Möhre. Aber nicht direkt nach dem Reiten. Erst später.« Ich hab das Gefühl, mir wird schlecht.
    »Tom, nicht so viel reden. Wir machen das schon. Schlaf jetzt. Okay?« Schlafen. Ich will ihr sagen, dass sie ihn mir nicht wegnehmen dürfen, aber das Reden ist so anstrengend, und mir wird übel dabei. Mir fallen die Augen zu.
    Sie streicht mir vorsichtig durch meine verschwitzten Locken. Schlafen …
    Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Ich habe irrsinnige Kopfschmerzen und mir ist abwechselnd eiskalt und dann wieder so heiß, dass ich denke, ich halte es nicht aus. Meine Hände und Backen glühen. Ich hab Fieber. Und das hat selbst Papa nicht gefallen. Eigentlich hat man kein so hohes Fieber, wenn man auf den Kopf gefallen ist, meinte er. Jetzt rätseln sie, warum das so ist.
    Und sie haben mich an den Tropf gehängt. Ich will nichts essen und ich will auch nichts trinken. Mir ist immer noch schlecht.
    Richtig schlafen kann ich auch nicht, und wenn, dann träume ich wirres Zeug. Manchmal sitze ich im Traum auf dem Pferd, aber meine Knochen brennen und schmerzen so, dass jeder Schritt eine Qual ist.
    Wenn ich aus diesen Träumen aufwache, wäscht mich eine Schwester und wechselt das verschwitzte Bettzeug, und ich wünsche mir, sie wäre endlich fertig und ich könnte mich wieder hinlegen. Manchmal ist auch Lissi da und kümmert sich um mich, aber ich sehe sie wie durch einen Nebel. Ich möchte ihr so viel sagen, doch meistens kann ich die Worte nur denken, nicht aussprechen.
    Jetzt höre ich Schritte, jemand kommt ins Zimmer. Ich kann nichts richtig erkennen. Wer ist das? Und dann dieses Brummen im Kopf. Sie messen Fieber, glaube ich. Ich weiß es nicht genau. Aber wer ist das neben meinem Bett?
    »Das Fieber ist noch recht hoch. Aber es gibt keine Anzeichen für eine Infektion. Das wird schon wieder«, sagt jemand. Die Stimme entfernt sich und hallt in meinem Kopf weiter. »Wird schon schon schon wieder wieder wieder…«
    Ich brauche etwas Kaltes auf dem Kopf, etwas Eiskaltes. Ich ertrage diese Hitze nicht mehr. Ein riesengroßes Gesicht beugt sich über mich, wackelt hin und her und starrt mich an. Diese Augen, wem gehören diese Augen, ich kenne sie doch, aber ich weiß es nicht, es fällt mir nicht ein.
    Ist das Mama? Sie werden immer größer, verschlingen mich. Und ich falle … immer tiefer und tiefer…

DREI FREUNDE UND EIN PLAN
    Ich öffne die Augen. Ich habe das Gefühl, Wochen geschlafen zu haben. Heiß ist mir nicht mehr und ich kann endlich alles ohne Mühe erkennen. Das Christuskreuz an der Wand und die Punkte auf den Vorhängen. Der Baum vor dem Fenster hat lila Blüten und die Vorhänge blähen sich im Wind. Ich muss blinzeln, weil die Sonne auf mein Gesicht fällt.
    Als ich mich nach links drehe, zucke ich vor Schreck zusammen. Da liegen ja noch zwei Jungs!
    »Na, wieder von den Toten auferstanden?«, fragt mich der eine belustigt. Der andere pennt.
    »Na ja, wie man’s nimmt«, sage ich verlegen. »Sag mal, wart ihr schon die ganze Zeit hier?«
    »Du bist vorgestern zu uns gelegt worden. Vorher haben sie dich in einem Einzelzimmer

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