Sturmsommer
dem Scheiterhaufen, mit brennendem Haar. Und schon denke ich wieder an die Zwiebeln und Lissis Worte …
Ich reiße meinen Blick von ihr los. Marc hat den Kopf auf die Arme gelegt und blinkert zu Anja rüber. Und Anja schaut ganz glücklich zurück. Marc sieht verträumt aus, als wäre er woanders. Wie ich. Jetzt hat er gemerkt, dass ich ihn anschaue. Er grinst zu mir rüber. Toni dreht mir den Rücken zu. Und Frau Scheifele redet und redet.
»Einen Kaba und eine Schneckennudel!« Es geht schneller, als ich denken kann. Die Fünftklässler quetschen sich in meinen Rücken und die Oberstufenschüler von der Seite. Warum zum Teufel sage ich Schneckennudel? Diese klebrigen Rosinendinger mochte ich doch nie! Zu spät. In der einen Hand den Kaba, in der anderen die Schneckennudel, die ich garantiert nicht essen werde, will ich so schnell wie möglich nach draußen an die frische Luft. Doch wie immer ist alles voller schreiender Schüler. Normalerweise macht mir das nichts aus. Aber heute nervt es mich unendlich.
Ich schleiche mich unauffällig Richtung Hinterausgang, der eigentlich nur für Lehrer reserviert ist. Aber niemand sieht mich. Und der Hausmeister ist mit den Schneckennudeln beschäftigt. Nun muss ich nur noch unbemerkt durch das Treppenhaus laufen und schon bin ich wieder draußen. Ich will gerade um die Ecke huschen, da höre ich Tanjas Stimme und bleibe automatisch stocksteif stehen. Nee, an der will ich nun wirklich nicht vorbei. Was macht sie da überhaupt? Jetzt redet auch Barbara. Drücken sich die beiden also vor der Pause. Aber es klingt nicht so, als würde es ihnen Spaß machen. Barbara ist sogar richtig sauer.
»Du hast echt nie Zeit. Immer ist etwas anderes wichtig. Und wenn du mal Zeit hast, dann gehst du in den Stall. Dabei nimmst du nicht mal Reitstunden.«
»Du weißt doch, dass das nicht so einfach ist«, sagt Tanja ruhig, aber ziemlich müde.
»Wie - nicht so einfach!?« Barbaras Stimme ist schrill geworden. »Du musst dir die Zeit halt nehmen. Du bist doch gut in der Schule. Lernen musst du ja wohl nicht viel. Wir könnten nach den Hausaufgaben was unternehmen. Ins Kino gehen. Shoppen. Billard spielen. Irgendwas!«
Tanja schweigt. Mir wäre es jedenfalls recht, sie würde mit Barbara einen Film nach dem anderen anschauen, anstatt mir im Stall auf den Senkel zu gehen. Von mir aus kann sie Barbara gegen Meteor austauschen. Jederzeit.
Barbara lässt nicht locker, obwohl Tanja nichts mehr sagt.
»Was ich aber gar nicht verstehe, ist, wie du dem Thomas Nachhilfe geben kannst - wo der dich so beschissen behandelt.«
Thomas. Das bin dann wohl ich. Na ja, was heißt hier beschissen behandeln. Ich hab mir die Nachhilfe nicht gewünscht. Ich hab niemanden drum gebeten.
»Das verstehst du nicht, Babsi«, sagt Tanja und nun klingt sie nicht mehr so ruhig wie vorhin. Auch nicht mehr so müde. »Er tut sich wirklich schwer. Und ich kann das nicht einfach hinschmeißen. Das geht nicht. Aus mehreren Gründen.«
»Du verbringst deine Zeit also lieber mit diesem Deppen als mit mir?«
Tanja seufzt.
»Er ist kein Depp«, sagt sie leise, aber bestimmt.
Ich merke, wie mir die Hitze ins Gesicht steigt. Ich weiß nicht. Irgendwie wäre es mir lieber, Tanja würde was anderes sagen. Obwohl ich eigentlich nicht gerne als Depp bezeichnet werde. Ich wusste gar nicht, dass Barbara so gegen mich ist. Mir gegenüber tut sie immer so freundlich und lieb. Trotz der komischen Fragen, die sie damals gestellt hat, als ich Damos bekommen habe.
»O Tanja, dir ist echt nicht zu helfen!«, braust Barbara auf. »Dann versauer doch zu Hause und bei deinem blöden Pferd und lass dich weiter von Tom niedermachen, wenn dir das mehr bringt, als mit mir was zu unternehmen. Ich hab die Nase voll. Brauchst nicht mehr mit mir zu rechnen, wenn irgendetwas ist.«
Ich höre, wie sie davonrauscht. »Ach, ihr könnt mich alle mal«, knurrt Tanja. Dann putzt sie sich die Nase. Heult sie etwa?
Auf einmal merke ich, dass der Hausmeister mich hinter seinen Colaflaschen, Kabas und Schneckennudeln finster anfunkelt. Stimmt. Wir dürfen uns hier ja gar nicht aufhalten. Ich muss zusehen, dass ich rauskomme, bevor es Ärger gibt. Die anderen Schüler sind schon alle wieder weg. Schnell laufe ich in den Hof und lehne mich an einen Pfosten. Mir ist ein bisschen schwindlig.
Und was mache ich nun mit der blöden Schneckennudel? Meine ganzen Finger sind mit Zuckerguss verschmiert, weil ich sie viel zu fest in der Hand gehalten habe. Und der
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