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Sturmsommer

Sturmsommer

Titel: Sturmsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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den Kopf, als habe er ganz genau verstanden, was eben gesagt wurde. Es klingt so schrecklich. Es tut mir weh.
    »Und, Tom, ich bitte dich eindringlich: Mach Marlies keine Szene. So ist das im Turniersport nun mal. Ich hab ihn zum Verkauf angeboten, aber niemand will ihn haben. Es ist ihr Pferd und sie kann entscheiden, was mit ihm passiert.«
    Meine Hände sind zu Fäusten geballt. Ich möchte laut schreien. Es gab hier schon einige Tage, an denen ich morgens in den Stall kam und plötzlich eine Box leer war. Und erst mal leer blieb. Meistens waren es Schulpferde, die es traf. Aber Meteor ist das erste Pferd, bei dem ich es vorher erfahre. Ich weiß nun, dass diese heißen Wochen sein letzter Sommer sein werden. Dabei ist er nicht mal richtig krank. Und Markus wird ihn auch nicht kaufen, denn den Schulbetrieb schafft der Alte nicht mehr. Dem kann man nicht drei Mal am Tag ein Kind auf den Rücken setzen.
    Wenn ich jetzt schreie, heule oder diskutiere, dann wird Meteor es merken. Er wird es kapieren. Aber das darf er nicht. Er darf mich nicht mal weinen sehen. Ich versuche zu lächeln. Meine Kehle ist so dick, dass der Schmerz mich fast umbringt.
    »Okay«, sage ich und unterdrücke das Zittern in meiner Stimme. »Ich werde nichts zu Marlies sagen. Ich verstehe es.«
    Markus sieht auf einmal müde und alt aus.
    »Sie ist eine Kundin. Eine gute Kundin. Ich kann ihr da nicht rein reden.«
    »Ja«, sage ich nur. Ich will, dass er jetzt geht. Doch er bleibt stehen, die Hand auf Meteors Hals, und kann sich nicht von ihm lösen. Ich laufe zu Damos rüber, nehme ihn am Zügel und verlasse die Reithalle.
    Jetzt begreife ich auch, was er mit dem Drama meint, das ihn morgen erwartet. Tanja. O Gott. Tanja! Sie wird ihm die Augen auskratzen. »Das ist nicht mein Problem«, versuche ich mir einzubläuen. »Es ist nicht mein Problem.« Es funktioniert nicht. Und Toni - ich habe gesehen, dass er durch Meteor gelernt hat, Pferde zu verstehen, mit ihnen umzugehen. Soll ich es ihm überhaupt sagen? Wird er nicht sofort alle Reitlehrer hassen und in einer seiner Grundsatzreden diesen Sport bis aufs Letzte verurteilen? Oder wird er etwa anfangen zu heulen?
    Ich mache die Boxentür hinter Damos und mir zu und versuche, unsere Gehirne zusammenzuschließen. Meine Stirn an seiner Stirn.
    »Dir wird das niemals passieren. Niemals. Das verspreche ich dir.« Ich kann diese Worte nur flüstern. Dieser schmerzende Kloß in meiner Kehle geht nicht mehr weg.
    Noch eine Woche bis zum Wanderreiten. Ich kann es Toni nicht sagen.
    Ich mag Tanja nicht, wirklich nicht. Aber der Gedanke, dass sie jetzt zu Hause sitzt und denkt, ihre Welt sei in Ordnung, obwohl schon längst feststeht, dass Meteor zum Schlachter kommt, hängt wie ein Gespenst über mir.
    Ich schaue zu, wie eine Träne von mir im Fell von Damos versickert. Nicht weinen. Ich schlucke mit aller Macht. Mein Reitlehrer führt Meteor wortlos in die Box. Damos und Meteor schnauben sich eine Pferdebegrüßung zu.
    »Hallo Meteor«, sage ich so fröhlich wie möglich. Ahnt er es schon? Merken Tiere, was man mit ihnen vorhat?
    Noch ist Sommer. Es ist noch nicht Herbst. Und ich werde nicht weinen. Ich werde nicht weinen. Nicht hier, vor ihm.
    Ich stürze aus dem Stall und renne zu meinem Fahrrad. Dörte und Markus schauen mir betreten nach. Ich werde mit niemandem darüber reden. Weil ich es einfach nicht schaffe, mich mit diesem Gedanken zu beschäftigen. Ich muss nur immer dran denken, dass noch Sommer ist. Und das alles vergessen. So schnell wie möglich.
    Während ich durch das Feld fahre und Henri neben mir herrennt, versinkt die Sonne blutrot am Horizont. Es ist Juli. Und im Herbst muss ein Pferd sterben.

 
    AUfBRUCH
    »So. Geschafft.« Papa lässt sich seufzend auf mein Bett fallen, haarscharf neben all die Sachen, die ich jetzt versuchen werde, in meine Tasche zu packen. In diese schrecklich kleine Sporttasche. Eigentlich brauche ich das gar nicht zu probieren - es wird sowieso nicht hin hauen.
    »Wie hat er sich benommen? Geht’s ihm gut? Hat er gebockt?«, frage ich ihn. Papa hat Damos heute per Hänger an unseren Treffpunkt gebracht - einen Wanderreitstall oben in den Bergen, von wo aus es morgen früh losgehen soll.
    »Das fragst du? Als sein Chef? Natürlich hat er gebockt«, grinst Papa und reibt sich den Nacken. »Sei froh, dass du nicht dabei warst.«
    Ich bin ihm dankbar für seine Unterstützung. Er hat gar nicht erwartet, dass ich mithelfe. Ich hätte es auch nicht gewollt. Klar

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