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Sturmsommer

Sturmsommer

Titel: Sturmsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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zu.«
    »Ich habe es nicht, du verhinderte Sozialarbeiterin!«, schreit Tanja. Ihre Ruhe ist dahin. Ihr Körper bebt. Sie sieht aus, als ob sie gleich umkippt. Wie ich vorhin.
    »Ich denke, es ist das Beste, wenn du morgen heimfährst. Ich organisiere den Rücktransport«, sagt Anne resolut. »Wenn du das Handy bis heute Abend nicht zurückgibst und dich entschuldigst, ist die Freizeit für dich zu Ende.«
    »Aber ich kann es doch nicht zurückgeben …«
    »Tanja, bitte. Meteor muss gesattelt werden.« Anne dreht sich um und geht in meine Richtung. Ich lasse mich auf den Boden fallen und robbe um die Ecke. Als ich außer Sichtweite bin, renne ich los.
    Ich könnte mich ohrfeigen. Warum bin ich nicht dazwischengegangen? Weil ich Angst habe, dann heimgeschickt zu werden? Heute Abend. Heute Abend werde ich alles wieder einrenken. Ich werde das Handy zwischen die beiden legen, wenn sie schlafen, und dann … dann … Dann denken sie, Tanja hat es zurückgegeben. Trotzdem. Was nützt es, wenn ich heimfahren muss? Dann kann ich ihr erst recht nicht sagen, dass Meteor nicht sterben muss.
    Und vor allem: Wenn rauskommt, dass ich es war und sie deshalb verdächtigt wurde, hasst sie mich noch mehr als sie es jetzt schon tut.
    Beim Reiten sondere ich mich ab. Wir kommen schnell voran, aber allen läuft der Schweiß herunter. Fast niemand redet etwas. Toni hat Kopfschmerzen und einigen Mädchen ist schwindlig. Über den Bergketten im Westen hat sich eine schwarze Wolkenwand gebildet, die von Minute zu Minute dunkler wird, aber nicht näher zu kommen scheint. Die Pferde sind nervös, und uns quälen die Mücken, die in Schwärmen auf uns und die Tiere losgehen.
    Heute Nachmittag werden wir den höchsten Punkt unserer Reise erreicht haben. Eine Alm mit Gefahren, wie Johannes vorhin sagte. Wir wollen dort zwei Tage bleiben, damit die Pferde neue Kraft tanken können. Doch die Wiese, auf der wir unser Lager aufschlagen werden, liegt angeblich steil, und auf der anderen Seite gibt es einen tückischen Abgrund. Ich stelle mir den Lagerplatz eng und düster vor, denn das passt zu meiner Stimmung.
    Als wir endlich ankommen, bin ich überrascht. Die Sonne bricht noch einmal durch die dünne Wolkendecke und bringt die saftig grüne Wiese zum Leuchten. Neben dem Stall gibt es sogar eine Hütte mit einem lauschigen Grillplatz. Alles wirkt romantisch und friedlich. Doch dann sehe ich, was Johannes meinte. Von der Grasfläche hinter dem Stall führt eine schmale Brücke auf ein großes Felsplateau - und dieses Plateau grenzt ganz hinten an einen Steilhang nach oben und einen nach unten. Vielmehr eine Schlucht als ein Steilhang, das ist sogar aus dieser Entfernung zu erkennen. Die Brücke ist für Wanderer und Bergsteiger da, ganz gewiss nicht für Pferde. Und Damos würde sie auch niemals freiwillig überschreiten. Unter ihr geht es zwanzig Meter in die Tiefe, hat Johannes vorhin gesagt. In der Wand hängen zwei Kletterer. Ihre roten Jacken sind kleine Farbtupfer in der mächtigen grauen Felsmasse, die sich vor uns auftürmt. Ganz oben erkenne ich ein Gipfelkreuz.
    Eigentlich müsste ich jubeln. Von solchen Landschaften habe ich immer geträumt. Und ich will auch nachher die Gegend erkunden - zu Fuß natürlich. Aber die Berge wirken auf mich bedrohlich. Auch die Gewitterfront scheint näher zu rücken. Dennoch erkämpft sich die Sonne wieder einen Platz am Himmel und brennt sengend auf unsere Rücken.
    Ich steige ab und führe Damos auf die Weide. Sofort macht er sich über das Gras her. Ich lege mich auf einen warmen Stein und döse kurz ein. Als ich aufwache, fühle ich mich noch unwirklicher und belasteter als vorher. Mir ist schwummrig von der heißen Sonne. Nur Damos steht noch bei mir, alle anderen Pferde haben sich in den Schatten des Stalls zurückgezogen. Jetzt also wieder mühsam die Zelte aufbauen. Schweigend zu Abend essen. Mich verantwortlich für die Stimmung meiner Freunde fühlen, weil ich sie hierhergelockt habe. Und Tonis fragende Blicke auf mir lasten zu haben.
    Will ich das alles denn wirklich? Sind das meine erhofften Ferien? Nein, das ist sie nicht. Kein bisschen. Ich gebe das Handy jetzt zurück. Jetzt sofort. Egal, was passiert. Ich stehe auf, angle es mit schwitzigen Fingern aus meiner Hemdtasche, wo es den ganzen Ritt im Takt von Damos’ Schritten auf meine Brust schlug, und laufe zum Planwagen. Wieder geht Anne hektisch auf und ab. Doch diesmal sieht sie nicht streng, sondern panisch aus. Aber ich will gar nicht

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