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Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Titel: Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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erfüllt«, unterbrach ihn der Redner. »Aber die Frage bleibt doch: Kann eine Nation sich Nachsicht erlauben, wenn es um etwas so Grundlegendes wie Verständnis geht? Ich sage Nein!«

    Plötzlich wurden die Flügeltüren des Saals aufgestoßen, und ein junger Mann stürmte durch den Gang zwischen den Sitzreihen. Seine Kleidung war staubig, und sein breiter Hut saß schief auf dem Kopf.
    »Das Bürgerheer von Sargona wurde geschlagen. Die Géronaee stehen direkt vor der Stadt«, brüllte der Bote und übertönte damit alles andere. Es fuhr wie ein Schlag durch Franigos Leib. Sargona, das ist keinen Wochenmarsch von hier entfernt. Verdammt, während wir hier bis zur Erschöpfung debattieren, beenden die Géronaee diese Revolte, bevor wir uns auch nur geeinigt haben, ob der Himmel tief- oder doch eher hellblau ist !
    Tumult brach um ihn herum aus, als andere zu derselben Erkenntnis kamen. Stimmengewirr erhob sich, an allen Ecken des Theaters wurde gestritten und geschrien. Anklagende Finger wurden auf die vermeintlich Schuldigen gerichtet. Der Lärm war ohrenbetäubend. Einige der Anwesenden waren sicherlich zornig, doch Angst war das vorherrschende Element des Geschreis.
    »Wir brauchen die Regimenter!«, schrie Franigo über den Lärmpegel hinweg. »Bei der Einheit, kommt zur Ruhe!«
    Vielleicht war es seine durch viele Vorträge und Liederabende gestärkte Stimme, vielleicht seine Person, vielleicht sogar der Status, den er genoss; jedenfalls kehrte langsam tatsächlich Ruhe ein. Anstatt auf die Bühne zu gehen, stellte sich der Poet einfach auf die Lehnen zweier Sitze und ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Es verwunderte ihn nicht, dass die Versammlung derartige Probleme hatte, eine Einigung zu finden. Zu viele Einzelinteressen kamen in diesem Saal zusammen. Es gab Abgeordnete der Ärmsten der Armen, aber auch Bürger aus der Stadt, Adlige aus kleinen, aber auch aus großen Häusern, Studenten, Soldaten, Seefahrer, einfache Handwerker und Besitzer ganzer Manufakturen. Und statt sich zu einigen, suchten alle schon nach ihren Vorteilen
in dem neuen Staat, der jedoch noch nicht einmal auf dem Papier bestand, denn eine Verfassung war noch lange nicht ausgearbeitet.
    »Wir brauchen die hiscadischen Regimenter«, erklärte Franigo erneut, wenn auch leiser. »Wo auch immer sie gerade innerhalb Géronays stationiert sind, wir müssen sie erreichen. Wir brauchen Soldaten, aber auch Gewehre und Kanonen. Wir werden einen Krieg führen müssen. Das ist eine Erkenntnis, der wir uns nicht länger verschließen können.«
    Schweigen antwortete ihm. Manche mochten ihm nicht glauben, aber er sah auch Verständnis in vielen Gesichtern. Wenn die Géronaee jetzt schon vorstießen, mussten sie sich schneller wieder gefangen haben, als alle gehofft hatten – und Sugérand würde seine ganze Macht aufbieten, um diesem Aufstand der Hiscadi Einhalt zu gebieten.
    »Wie?«
    Die Frage war berechtigt, aber Franigo wusste eine Antwort: »Flugblätter. Pamphlete. Erst einmal müssen die hiscadischen Regimenter erfahren, was hier überhaupt geschieht, und sie müssen verstehen, dass nur sie ihre Heimat retten können. Wir bringen die Nachrichten zu ihnen.«
    »Franigo war Soldat. Er soll die Pamphlete schreiben«, rief eine Gestalt irgendwo am Rande, deren Stimme verdächtig nach Alserras klang. Viele der Anwesenden stimmten murmelnd zu.
    Großartig, mein Name auf aufwieglerischen Handzetteln. Das hat mir nun wirklich gerade noch gefehlt . Als einige Abgeordnete begannen, seinen Namen zu skandieren, fragte sich der Poet, ob sie ihm bloß zujubelten, weil sie alle Verantwortung damit auf seine Schultern legen wollten, damit im Falle des fast sicheren Scheiterns nur sein Kopf von eben jenen getrennt wurde.
    »Solche Taten sind es, die wir jetzt brauchen, keine bloßen Worte«, rief eine junge Frau und sprang begeistert von ihrem
Sitz auf. Sie war von bemerkenswerter Schönheit, wie Franigo sogleich aufgefallen war, als sie als eine der wenigen weiblichen Abgeordneten zum ersten Mal das Theater betreten hatte; eine glutäugige Kaufmannstochter, die den Reichtum ihrer Familie freiwillig hinter sich gelassen hatte, um sich der gerechten Sache anzuschließen. Nun leuchteten ihre dunklen Augen, als sie den Dichter voller Bewunderung ansah. »Mesér Franigo!«, bat sie mit tiefer, verführerischer Stimme. »Lasst uns nicht im Stich!«
    »Nun gut, ich werde einige entsprechende Texte aufsetzen«, gestand der Poet zu. »Wir brauchen die

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