Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
größer geworden und auch … drachenähnlicher. Aber vielleicht bilde ich mir das bloß ein, weil Maurez gesagt hat, dass Sinosh eigentlich ein Drache ist.
Der Dichter behielt seine Überlegungen für sich und kam auf das Thema zurück: »Wir sind jetzt schon seit beinahe
einer Woche auf See – haben wir überhaupt genug Reserven, um die Verfolgung Maecans noch lange fortzusetzen?«
Jaquento zuckte mit den Schultern. »Zwieback und Pökelfleisch werden noch eine Weile reichen. Und solange uns der Rum nicht ausgeht, bin ich davon überzeugt, dass die Mannschaft nicht meutern wird. Was will man mehr?«
Franigo musste lachen. »Ja, was könnte man schon mehr wollen?«
Er hob seinen Becher und prostete Jaquento zu. Der Wein war von minderer Qualität, und der Metallgeschmack des Bechers trug nicht dazu bei, ihn zu verbessern, aber ein Mann musste eben mit dem auskommen, was ihm die Einheit gegeben hatte. Und nach etlichen langweiligen Tagen und Nächten auf See war dieses Zechgelage mit all seinen Reminiszenzen an die gemeinsame Vergangenheit mit seinem alten Freund Maurez di Jaquente immerhin ein anschaulicher Beweis für das Sprichwort, dass Totgesagte länger lebten.
Der Poet strich sich mit Daumen und Zeigefinger einige dunkelrote Tropfen aus dem Schnurrbart.
»Machst du dir keine Sorgen, dass diese Piraten vielleicht nicht sehr loyal ihrem Anführer gegenüber sind? – Immerhin hast du jetzt den Posten eines Mannes inne, den du in Boroges erstochen hast«, erkundigte sich der Dichter vorsichtig.
»So könnte man es ausdrücken«, gab Jaquento ungerührt zurück. »Kapitän war ich aber schon vorher, wenn auch nicht auf der Todsünde , sondern auf einem ihrer Prisenschiffe. Und hier kennen mich viele von der Besatzung noch als Offizier und vertrauen mir hoffentlich. Vielleicht wäre ich heute noch auf der Windreiter , wenn mich die verdammte thaynrische Marine nicht unter Arrest gestellt hätte.«
»Dieselbe Marine, die von der blonden Offizierin mit dem überaus verheißungsvollen Hinterteil vertreten wird?«, erkundigte
sich Franigo süffisant und beobachtete amüsiert, wie sein Gegenüber zornig auffuhr.
»Ihr Hintern geht dich gar nichts an«, knurrte Jaquento. »Der Gouverneur der Sturmwelt hat mich verhaften lassen, und ich wurde unter ihrer Führung nach Corbane geschickt.«
Die Versuchung war einfach zu groß; der Poet konnte es nicht lassen, den anderen Hiscadi noch ein wenig weiter zu reizen.
»Meine Güte«, sagte er deshalb und zwinkerte ihm zu. »Ein Arrest unter ihrem Kommando, das klingt wirklich verlockend -die Hände in Eisen, die neunschwänzige Katze und dazu dieser Hintern in einer Uniformhose. Du glücklicher Bastard.«
Sein Gegenüber sprang auf, und die Echse, die vorher ruhig auf seiner Schulter gelegen hatte, flatterte wild mit den Flügeln und sprang auf den Tisch.
Als sich Jaquento bedrohlich vor ihm aufbaute, hob Franigo endlich protestierend beide Hände und winkte ab. »Nein, nein, verzeih mir – mir steht nicht der Sinn danach, mich mit dir zu schlagen. Schon gar nicht in einer engen Kajüte auf unsicheren Schiffsplanken. Du bist nur so offensichtlich verliebt in diese Frau, dass es schwerfällt, es dir nicht unter die Nase zu reiben.«
Jaquento ließ sich wieder zurücksinken, und die schaukelnde Laterne, die an der Decke der Kajüte angebracht war, warf schwankende Schatten über sein Antlitz. Einen Moment ließ sich der Widerstreit der Gefühle von seinem Gesicht ablesen, aber dann nahm er den Weinbecher wieder zur Hand und trank nachdenklich einen Schluck.
»Vielleicht hast du sogar Recht. In Bezug auf Roxane bin ich ein glücklicher Bastard.«
Franigo zog die Augenbrauen erstaunt hoch, ersparte sich aber einen weiteren Kommentar.
»Und du? Gibt es noch immer keine Schöne, die dich erobern konnte?«, fragte Jaquento.
Der Poet schnaubte. »Mehr als genug. Doch der Wunsch, bei einer Frau zu bleiben, hält bei mir nach der Eroberung einfach nie besonders lange an, fürchte ich.«
Die Echse – Sinosh – schien die beiden Hiscadi misstrauisch zu beäugen, bevor sie sich ihnen wieder näherte. Jaquento blickte Sinosh an, dann zog er einen weiteren Becher heran, füllte ihn mit Rotwein, und das kleine Drachenweibchen steckte seine Schnauze in das Trinkgefäß.
Eine Weile lang tranken sie alle schweigend, und Franigo spürte, wie ihm der süße Rote allmählich zu Kopf stieg.
Dann unterbrach ein Klopfen die Stille.
Auf Jaquentos »Herein« wurde die Tür einen
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