Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
einem angewiderten Blick auf Holt und sein Gegenüber spuckte Thyrane in den Sand zu seinen Füßen. »Gewaltige Gewinne, ja? Das interessiert mich nicht, wenn es darum geht, dass die Gesetze Ihrer Majestät mit Füßen getreten werden.«
»Das sollte es aber! Mit diesem Geld werden die Schiffe bezahlt, auf denen Sie reisen. Mit denen die Marine uns andere Mächte vom Hals schafft und die Küsten unserer Heimat sichert.«
Thyrane runzelte die Stirn. Noch hatte niemand Hand an ihn gelegt.
»Niemand steht über dem Gesetz, Laerd-Protektor. Auch nicht die Compagnie. Holt, verdammt nochmal, haben Sie sich wirklich von diesen Hunden den Schneid abkaufen lassen und machen sich zum Lakaien der Compagnie?«
»Thyrane, es reicht, verflucht nochmal! Sie stehen ebenfalls nicht über dem Gesetz, und was immer Sie für Gründe zu haben glaubten, es war weit außerhalb Ihrer Befugnisse, ein Schiff zu beschlagnahmen«, entgegnete Holt und winkte ungeduldig mit der Hand. »Abführen, habe ich gesagt.«
Thyrane wehrte sich nicht, als ihn die beiden Soldaten in ihre Mitte nahmen und zu einer Kutsche geleiteten. Seine Finger hielten die Mappe mit den Berichten noch immer so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Da kam eine junge Frau in Uniform die Straße entlanggerannt, ein Stück Papier in der Hand. Einen Moment lang dachte Thyrane, dass sie schon das Urteil über ihn gefällt hätten, noch bevor Holt seine kleine Scharade hatte zu Ende spielen können, doch dann vernahm er ihre aufgeregten Rufe.
»Sugérand ist abgesetzt! Die Géronaee haben ihren König abgesetzt! Der Krieg ist vorbei!«
Wie betäubt blieb Thyrane stehen, und auch die Soldaten hielten inne. Um sie herum brach ein wildes Durcheinander aus, als sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitete. Doch über dem Tumult ertönte Holts schnarrende Stimme: »Schafft ihn endlich von hier fort!«
Als die Kutsche sich rumpelnd in Bewegung setzte, hätte Thyrane beinahe über die Ironie des Augenblicks gelacht. Ausgerecht in jenem Moment, da seine Karriere ein unrühmliches Ende nahm, war der Krieg gewonnen, in dem er die längste Zeit seines Lebens gekämpft hatte.
FRANIGO
»Warum hat man Alserras verhaftet?«, erkundigte sich Franigo, während sie zum Rathaus gingen. Obwohl der Jüngling, der sich als Inxi vorgestellt hatte, mit schnellen Schritten zur Eile drängte, folgte der Poet weitaus langsamer und zwang ihn so, sein Ungestüm zu mäßigen. Franigo war sich sicher, den Jungen schon einmal gesehen zu haben, aber gerade wollte ihm beim besten Willen nicht einfallen, wo das gewesen sein mochte.
»Er hat gegen die Verhaftungen der letzten Woche protestiert.«
»Warum sollte er so einen Unsinn tun?«, sinnierte der Dichter zweifelnd und strich sich über den sorgfältig gestutzten dunklen Bart. »Der Rat wird schon einen Grund gehabt haben, die Verhaftungsbefehle auszustellen. Und falls darüber Unmut besteht, ist es nicht allzu klug, öffentlich dagegen zu protestieren. Das weiß Alserras doch ganz genau.«
»Mein Vater war darunter.« Es war wenig mehr als ein Murmeln. Überrascht sah Franigo den jungen Mann an, und endlich erkannte er ihn: »Du bist der Sohn des Druckers, nicht wahr?«
Der hoch aufgeschossene Jüngling nickte. Seine grauen Augen fixierten Franigo.
»Du hast die Ausgaben meiner Stücke drucken lassen«,
fuhr der Poet fort und spürte, wie sich Zorn in seine Stimme schlich. »Die Sonderausgaben, die kostenlos verteilt wurden.«
»Ja. Alserras hat mir das Manuskript besorgt, und wir haben zwei Tage und zwei Nächte durchgearbeitet, um alles zu setzen und …«
»Hunderte von Oktavbänden …«
»Tausende!«, unterbrach ihn Inxi, und die Miene des Jungen hellte sich vorübergehend wieder auf, als seien die Schwierigkeiten, in denen sein Vater steckte, vergessen. »Wir mussten immer wieder nachdrucken, weil jeder ein Exemplar haben wollte.«
»Tausende meiner Werke … kostenlos im Umlauf.« Franigo seufzte und zwang sich, die Zahlen zu vergessen, die vor seinem inneren Auge tanzten und zu goldenen Münzen wurden, die sich höher und höher emportürmten. »Danke. Vielen Dank!«
Selbstverständlich bemerkte der junge Mann den Spott nicht einmal, und auch der ätzende Unterton in der Stimme des Dichters schien ihn nicht zu berühren. Das Feuer des Idealismus brannte in seinen Augen, und Franigo ahnte bereits, dass Inxi glaubte, all diese Missverständnisse und irrtümlichen Verhaftungen würden sich leicht aus der Welt räumen
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