Sturmwind der Liebe
»Ich hasse Sie!« stieß sie mit leiser Stimme hervor.
Das brachte ihn noch mehr auf. Sein Zorn wuchs. »Hören Sie mich an, Sie unvernünftiges Weibsstück! Bevor ich Sie weggehen lasse, werden sie mir einige Fragen beantworten. Das war ja alles nicht meine Idee – na ja, das Bordell schon. Aber ich wollte doch nur, daß Sie zugeben, ein blödsinniges Spiel mit mir getrieben zu haben. Es ist mir unbegreiflich, wie Sie sich einbilden konnten, ich wäre so blind und unerfahren, Ihnen auch nur einen Moment lang zu glauben, daß Sie ein Mann wären. Warum haben Sie dieses Spielchen überhaupt mit mir angefangen?«
Noch immer hielt er mit seinen langen Fingern ihren Oberarm umklammert. In ein paar Stunden würde sie herrliche blaue Flecke haben. »Sie haben gleich gemerkt, daß ich kein Eugene bin?«
»Stellen Sie sich doch nicht dumm! Natürlich wußte ich es gleich. Sie haben die Hände einer Frau, das Gesicht einer Frau, die Brüste einer Frau …«
»Das genügt!«
»Nun, für mich gab es da überhaupt keinen Zweifel. Ich konnte nur einfach nicht den Sinn der Sache begreifen. Zuerst war es ganz amüsant. Selbst die Bekanntschaft mit Ihrer Schwester hatte einen gewissen Reiz. Aber als Sie das Täuschungsmanöver immer weiter trieben, wurde es allmählich ärgerlich. Deshalb war ich entschlossen, es heute abend ein für allemal zu beenden. So kam es zu dem Bordellbesuch.«
»Ihr Erfolg ist bewundernswert.«
»Ja, klar. Ich bin für Ehrlichkeit und nehme nicht gern an so albernen Spielchen teil.«
»Ach ja? Und wie nennen Sie das Spiel, das Sie heute abend mit mir getrieben haben?«
»Zugegeben, heute abend war ich nicht ehrlich zu Ihnen. Immerhin haben Sie doch in Ihrer Aufklärung einen Schritt vorwärts getan, oder etwa nicht?«
»Gehen Sie zum Teufel!«
»So redet aber keine junge Dame … Verzeihung, so redet keine junge Dame, die über den ersten Frühling hinaus ist.«
»Gehen Sie zum Teufel! Verdammt sei Ihre Seele!«
Er lachte nur. »Mein liebes Mädchen, wenn ich Ihr Ehemann wäre, würde ich Ihnen für diese Redensarten gründlich den Hintern versohlen.«
»Mein Ehemann! Schon bei dem Gedanken packt mich das kalte Grausen! Sie sind ein Schwein, ein ungebildeter Schwachkopf, ein arroganter Bastard, ein …«
»Wir wollen doch nicht vom Thema abschweifen, nicht wahr? Ich möchte ja nur wissen, warum Sie mir Ihren Hintern in Männerkleidung zur Schau gestellt haben.«
Kalt antwortete sie: »Weil Sie über einen Geschäftsbrief von einer Miß Eugenia Paxton doch nur gekichert und gespottet hätten. Ihr Männer nehmt euch nur selber ernst. Wenn eine Frau auf einem Gebiet Erfolg hat, das ihr als eure ureigene Domäne betrachtet, dann verhöhnt und beleidigt ihr sie und benehmt euch unflätig. Sie haben ja selber ausdrücklich erklärt, eine Frau wäre zu nichts anderem als Sex und Kinderkriegen gut. Ich war aber nicht bereit, mich mißachten und, schlimmer noch, beleidigen zu lassen.«
»Warum hat denn Ihr Vater nicht an mich geschrieben?«
»Weil er es nicht wollte. Aber gleich nachdem ich den Brief nach England abgeschickt hatte, habe ich ihm alles erzählt. Er war sich des Ernstes unserer Lage, die durch seinen schlechten Gesundheitszustand und alles übrige bedingt war, noch gar nicht bewußt geworden. Ich sagte ihm, daß wir Kapital benötigten und daß Sie es uns bereitstellen könnten. Außerdem machte ich ihm klar, daß Sie wahrscheinlich einer dieser englischen Gecken wären, die sich einzig und allein für die Anzahl der Knoten in ihren Krawatten und ihre Haarpomade interessieren. Wir würden deshalb trotz der Kapitalaufnahme die Kontrolle über die Firma behalten und so weiterarbeiten können wie bisher.«
»Worin Sie sich auf der ganzen Linie geirrt haben.«
»Auf der ganzen Linie nicht, denn Sie sind ein Schwein. Und jetzt lassen Sie mich los! Ich will nach Hause. Ihren Spaß haben Sie ja gehabt.«
»Sie stinken doch wie eine Brauerei in Edinburgh. Was wird Ihr Vater dazu sagen? Und was für eine Lüge wollen Sie ihm auftischen?«
»Er schläft hoffentlich schon. Sie können beruhigt sein. Ich erzähle ihm kein Wort.«
»Dann werde ich ihm alles erzählen. Nein, das mit dem Bordell nicht. Denn darin bin ich zum Teil schuld. Ich sage ihm, daß wir am Abend für kurze Zeit ausgegangen sind und Sie endlich Ihr Verwirrspiel aufgegeben haben. Daraufhin hatten wir eine stürmische Auseinandersetzung, und die einzige Möglichkeit, Sie zur Vernunft zu bringen, bestand darin, daß ich
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