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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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passiert, wenn er dich um diese Uhrzeit rufen lässt.«
    »Demy, das ist wirklich fürsorglich von dir, aber ich muss gehen.«
    »Das musst du nicht. Du kannst jemand anderen schicken. Trudi zum Beispiel. Sie ist weit über fünfzig und Meindorff wird sie in Ruhe lassen …«
    Henny legte nun ihrerseits eine Hand auf Demys Lippen, damit sie schwieg. »Was glaubst du denn, weshalb ich überhaupt noch hier beschäftigt bin? Fast alle Männer und viele der Frauen wurden entlassen. Mich hätte es auch getroffen, hätte Meindorff nicht diese … gewisse Schwäche für mich.«
    Wild entschlossen schob Demy Hennys Hand beiseite und zischte aufgebracht: »Aber es ist nicht richtig ! Er nutzt deine Situation aufs Widerlichste aus. Er, er …« Ihr fehlten die Worte, was nicht eben häufig vorkam. Erst vor ein paar Minuten hatte sie noch schrecklich abwertend von Julia Romeike gedacht, die für Geld ihren Körper an Männer, zumindest aber an Joseph verkaufte. Tat Henny nicht dasselbe mit Josephs Vater?
    »Demy, diese Diskussion haben wir doch schon so oft geführt! Ich bin auf die Anstellung angewiesen. Meine Familie benötigt das Geld, das ich nach Hause bringe. Bitte lass mich jetzt gehen. Bitte!« Hennys Stimme war nur noch ein verzweifeltes Flehen.
    »Dann warte einen Moment«, zischte Demy, schlüpfte davon und lief im Eilschritt durch die Halle zurück in das Nähzimmer. Dort knipste sie das Licht an und wartete. Es dauerte geraume Zeit, bis Henny vor das Arbeitszimmer trat. Selbst aus der Entfernung konnte Demy erkennen, wie angespannt das Dienstmädchen dastand, wie widerwillig sie die Hand hob, um anzuklopfen.
    In dem Augenblick, als Meindorff die Tür öffnete, trat Demy in den Lichtschein und rief laut: »Henny, bist du das? Die gnädige Frau benötigt dringend deine Hilfe!«
    Gespannt hielt sie den Atem an. Die durchdringende Stimme des Rittmeisters drang zu ihr herüber, als er Henny anwies, die Scherben aufzusammeln und die Rotweinflecken zu beseitigen, bevor sie der jungen Dame zu Diensten sein solle. Zufrieden lächelnd zog Demy sich in den Raum zurück. Wieder einmal war es ihr gelungen, Henny zu beschützen!
    ***
    Zwei schmächtige schmale Schatten tauchten aus einer düsteren Gasse auf, in der der Nebel wie dickflüssige Bouillon zwischen den heruntergekommenen Häusern stand. Während einer der beinahe identisch aussehenden Zwillinge zügig in Richtung Stadtschloss weitermarschierte, verharrte der andere an der Hausecke, als traue er sich nicht, den Schutz der Gebäude und der weißen Nebelwand zu verlassen. Ein Zischlaut machte Willi auf Peters Zögern aufmerksam und ließ ihn zu ihm zurückeilen.
    »Was ist?«, flüsterte er und drückte sich neben ihn an die Hauswand.
    »Weshalb sollten ausgerechnet die uns etwas zu essen geben? Die wollen uns nur aufgreifen und in irgendeine Anstalt stecken.«
    »Blödsinn. Überall entstehen jetzt Suppenküchen. Wir stellen uns einfach hinter ein paar Erwachsenen an. Dann halten die uns für die dazugehörenden Kinder. Außerdem vergisst du, dass wir vierzehn sind. Wir könnten in der Ausbildung sein. Kein Mensch schert sich um Jungen in unserem Alter!«
    Peter blickte ihn wenig überzeugt an, obwohl auch er seit dem Weggang ihres Vaters und dem Tod ihrer Mutter genau das schmerzlich erlebte: Niemand kümmerte sich um sie. Selbst Lieselotte, ihre ältere Schwester, vernachlässigte sie sträflich. Das war für Peter allerdings nicht das Schlimmste. Viel eindrücklicher und grausamer stand ihm der Tag vor einer Woche in Erinnerung, als der Vermieter sie aus ihrer Hinterhofwohnung geworfen hatte. Jetzt fehlte ihnen auch noch ein Zuhause. Das Zuhause, in dem seine Erinnerungen an ihre verstorbene Schwester Helene lebte und in dem sie ein kleines Stück Heimat gefunden hatten.
    Willi, der Mutigere der beiden, kannte die Qualen, die sein Bruder ausstand, wusste ihm aber nicht zu helfen. Für ihn galt momentan nur, einen Tag nach dem anderen zu überleben.
    »Nun komm doch, ich habe Hunger!« Willi ahnte, dass dies letztendlich das einzige Argument war, das den in sich gekehrten Peter veranlassen konnte, mit ihm bei der neuen Suppenküche anzustehen. Und wirklich folgte sein Bruder ihm mit gesenktem Kopf, als fürchte er, jemand könne in ihm einen Gauner erkennen und die Polizei rufen.
    Deutlich langsamer als zuvor in den Gassen, die sie wie ihre Hosentaschen kannten, überquerten sie eine besser ausgebaute Straße und näherten sich einer langen Schlange von in der Kälte

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