Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
können. »Wir müssen uns noch mehr einschränken, Joseph. Sag das auch Tilla. Mit ihren Reisen ist Schluss. Deine Brauerei läuft dieser Tage schlecht, Meindorff-Elektrik stand kurz vor dem Zusammenbruch. Falls durch die vielen Geschäftsaufgaben meiner Syndikatspartner etwas über unsere früheren Preisabsprachen an die Öffentlichkeit gelangen sollte, würde das unser Ende bedeuten. Momentan haben wir zumindest noch die Chance, uns um lohnenswerte Militäraufträge zu bemühen. Vielleicht spreche ich mit Philippe. Dieser Fokker scheint mir vielversprechend zu sein.«
»Fokker?«, stieß Joseph unbeherrscht hervor. »Der ist jetzt wie alt? Mitte zwanzig? Das ist ein Spinner und ein Träumer. Gut, er baut Flugzeuge für den Krieg, aber das tun viele andere ebenfalls, vermutlich besser und erfolgreicher als dieser Holländer! Wenn ich diesen Dialekt höre, übermannt mich schon der Zorn! Dieser van Campen hat uns reingelegt!«
»Rede in Gesellschaft niemals in dieser herabsetzenden Weise über deinen verstorbenen Schwiegervater, wenngleich ich dir natürlich recht geben muss. Deine Heirat mit Tilla war eine Fehlinvestition. Aber zumindest konnten wir bis jetzt den Schein wahren, und das soll auch so bleiben! Echauffieren wir uns öffentlich über van Campens mangelnden Geschäftssinn und sein verlorenes Ansehen, könnte jemand auf den Gedanken kommen, wir wären auf finanzielle Hilfe angewiesen!« Der ältere der beiden Männer wurde zunehmend lauter. »Nichts davon darf nach außen dringen! Und ich verlange, dass du dich zumindest hin und wieder in Begleitung deiner Frau auf einer Veranstaltung zeigst. Es wird getuschelt, eure Ehe sei bereits zerrüttet! Auch von dieser Seite kann sich Meindorff-Elektrik keine Gerüchte und keinen Skandal leisten! Also nimm diese Zigeunerin an die Kandare!«
Demy schnappte nach Luft. Die Heirat mit Tilla war eine Fehlinvestition ? War das die Art, wie die Meindorffs ihre Ehepartner betrachteten? Tilla wurde geringschätzig als Zigeunerin bezeichnet! Ihre Schwester reiste viel, aber das konnte Demy ihr nicht verdenken, immerhin betrog Joseph sie seit Jahren mit Julia Romeike. Wie der Rittmeister wohl Demy titulierte? Und Feddo und Rika? Als Schmeißfliegen?
»Am besten drängen wir Philippe zu einer Hochzeit mit dieser Demy. Dann haben wir sie aus dem Haus. Und wir könnten sie zwingen, Rika und Feddo mitzunehmen. Immerhin haben sie die gleiche Mutter, während Tilla mütterlicherseits ja zumindest von einer Meindorff-Linie abstammt.«
»Du weißt, dass ich bei Philippe nichts erreiche, wenn ich ihn unter Druck setze. Aber ich werde ihn auf eine baldige Vermählung hinweisen!«
Die Kehle der heimlichen Lauscherin wurde trocken. Ob sie sich nicht nur wegen der prekären finanziellen Lage der Meindorffs Sorgen um ihre jüngeren Geschwister machen musste, sondern auch darüber, ob Philippe seinem Pflegevater tatsächlich Widerstand leisten konnte? Im Grunde zweifelte sie nicht daran; immerhin hatte er jahrelang seinen Kopf durchgesetzt. Der Krieg veränderte jedoch in dramatischer Geschwindigkeit die Lebensumstände und warf die Pläne vieler Menschen durcheinander. Außerdem schien Philippe besonnener, nachdenklicher geworden zu sein – aber deshalb auch weniger standhaft?
Der Lichtstreifen auf dem Parkett verbreiterte sich. Erschrocken drückte Demy sich in die hinterste Ecke des Türrahmens und hoffte, dass die Tür, gegen die sie sich presste, nicht von allein und womöglich mit einem lauten Geräusch aufsprang.
»Ruf Henny, sie soll die Sauerei wegwischen!«
»In Ordnung, Herr Vater. Gute Nacht.« Joseph schloss die Tür zum Kontor und sperrte dabei die einzige Lichtquelle im Erdgeschoss aus. Ohne Demy zu bemerken hastete er an ihr vorbei in die Arbeitskammer und brüllte dort einen harschen Befehl in den Nebentrakt. Kaum dass sich hinter ihm die Tür zum Treppenhaus in den ersten Stock geschlossen hatte, betrat Henny das Foyer. Auch ihr genügte das durch die Fensterfront hereinfallende Mondlicht, um sich zu orientieren.
Demy wartete, bis ihre Schritte sie fast erreicht hatten, ehe sie aus dem Schutz des Türrahmens trat. Das Dienstmädchen stieß einen spitzen Schrei aus, den Demy zu spät mit einer Hand auf Hennys Mund zu unterdrücken versuchte. Hastig zerrte sie das Dienstmädchen in die Türnische.
»Demy!«, keuchte Henny und zitterte vor Schreck noch immer am ganzen Leib.
»Entschuldige bitte. Aber ich möchte nicht, dass du da reingehst. Du weißt genau, was
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