Sturz Der Engel
befestigte ihn an der Puppe. Dann kehrte sie zu Nylan zurück.
»Wir wollen mal sehen, wie sich der Bogen bei einer einheimischen Rüstung macht.«
»Kannst du denn einen Pfeil erübrigen?«
»Ich verliere lieber einen Pfeil als später meinen Hals.« Istril lachte, es war ein warmer Laut. »Besser, ich finde es jetzt heraus als im Kampf.« Sie stellte sich auf, legte einen dritten Pfeil ein und ließ ihn fliegen.
Ein dumpfes Knallen folgte und der Pfeil hatte das Metall durchschlagen und blieb stecken. Als sie das Geräusch hörte, schaute Benja kurz von den braunen Grasbüscheln auf, über die sie sich hergemacht hatte.
»Ich weiß nicht, was Gerlich will.« Istril schüttelte den Kopf. »Der Bogen ist kleiner als sein Ungeheuer und leichter zu tragen. Er ist genauer und er schlägt durch die Rüstung. Was will man noch?«
»Vielleicht den Ruf, den größten Bogen und die schärfste Klinge zu besitzen?«, meinte Nylan.
Wieder lachte Istril. Dann wurde sie ernst. »Ser, das hier ist eine mörderische Waffe. Alle Marineinfanteristinnen – aber ich glaube, wir sind jetzt wohl Wächterinnen – wir alle würden diese Waffe lieber tragen als irgendetwas anderes, das ich je gesehen oder benutzt habe. Habt Ihr noch mehr davon?«
»Noch fünf, aber ich habe keine Sehnen.«
»Fünf? Das ist doch schon etwas für den Anfang.«
»Ich weiß nicht, wie lange der Laser es noch macht«, erklärte Nylan, »und ich wollte nicht mehr Bogen herstellen, solange ich nicht wusste, ob sie gut sind.«
»Ob sie gut sind? Mit diesen Bogen und Euren Klingen haben die Einheimischen keine Chance.«
»Bitte, Istril, keine falsche Höflichkeit.«
»Aber ich bin nicht einfach nur höflich, Ser. In diesem Fall kann ich nicht anders als ehrlich sein. Wir reden hier über unsere Hälse und unser Leben.«
»Ich wollte …«
»Schon gut.« Istril gab ihm den Bogen.
»Du kannst ihn behalten. Ich weiß sowieso nicht, wie man damit umgeht.«
Das leise Klingen der Triangel verriet ihnen, dass es Zeit für das Abendessen war.
»Danke, Ser. Aber jetzt sollten wir uns langsam wieder auf den Weg machen.«
Sie gingen schweigend zum Turm hinunter, duckten sich unter den Zaunlatten hindurch und folgten dem Weg, der zur Zufahrt des Turmes führte.
»Das Brot riecht gut«, meinte Istril, als Nylan die schwere Vordertür des Turmes öffnete.
»Kyseen kann inzwischen gut backen.«
»Ich glaube, Kadran hat ihr geholfen, seit ihre Schulter verletzt wurde.«
»Das könnte die Erklärung sein.« Nylan lachte leise.
Istril legte den Bogen an der Treppe ab, dann gingen sie gemeinsam zu den Esstischen.
»Na, hast du den Bogen des Ingenieurs ausprobiert?«, fragte Gerlich höflich.
Ryba sah Nylan erstaunt an. »Du hast einen Bogen geschmiedet?«
»Ja, endlich«, erklärte der Ingenieur. »Es war ziemlich schwierig.«
»Ich hoffe, du hast nicht zu viel Energie dafür verbraucht«, warf Gerlich ein, der in der Mitte am ersten Tisch saß. Selitra saß neben ihm.
»Wenn man etwas herstellt, braucht man eben Energie«, erwiderte Nylan. »Und Waffen mit größerer Reichweite sind wichtig.«
»Die Klingen sind viel wirkungsvoller«, gab Gerlich zurück.
»Ich glaube nicht«, bemerkte Istril energisch. »Ich habe den Bogen ausprobiert und er ist für berittene Wächterinnen eine ausgezeichnete Waffe.«
»Für eine Wächterin vielleicht, aber mit dem großen Bogen kann ich härter schießen«, antwortete Gerlich.
»Ich bin sicher, dass Ihr das könnt«, erklärte Istril höflich. »Aber für berittene Wächterinnen ist der Bogen, den der Ingenieur gemacht hat, wirklich besser geeignet und ich werde ihn gern benutzen. Ich bin sicher, dass die anderen das ähnlich sehen werden, denn er ist leicht auf einem Pferderücken zu tragen und schießt viel genauer als Euer Monstrum.«
»Er hat aber nicht genug Zug.« Gerlich schien beinahe verärgert.
Ryba sah zwischen der silberhaarigen Wächterin und dem dunkelhaarigen Mann hin und her.
»Er hat genug Kraft, um aus sicherer Entfernung einen Brustharnisch zu durchschlagen, und das sollte eigentlich für jeden genug sein«, gab Istril aufgebracht zurück.
»Ich dachte, wir reden über weit reichende Waffen …«
»Genug jetzt«, schaltete Ryba sich ruhig ein. »Die Waffen des Ingenieurs werden noch besungen werden, lange nachdem wir alle aus Westwind fortgegangen sind. Auch dein großer Bogen wird besungen werden, Gerlich. In der Geschichte ist Platz für beides. Es war ein langer Tag und wir können beim
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