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Sturz der Tage in die Nacht

Sturz der Tage in die Nacht

Titel: Sturz der Tage in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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Arm nehmen, hinüberziehen auf sein Territorium, auf seinen Sitz und sie noch einmal nehmen, so wie er sie immer genommen hatte im Auto, ein bisschen unbequem, aber das hatte den Reiz noch erhöht, und als er zu ihr hinübersah, hatte sie den Gurt abgeschnallt und die Bluse aufgeknöpft, und ein Träger ihres BH s war wie unabsichtlich heruntergerutscht. Sie beugte sich vor, und ein Hosenbein hing noch an ihrem Knöchel, als sie die Lehne nach hinten legte, sich herumdrehte und versuchte, sich auf das Polster zu knien. Sie wusste, dass er das mochte. Wenn sie sich ihm so präsentierte, hatte er es immer am meisten gemocht.
    Sie trug einen weißen Schwangerenslip. Etwas Haar stand unterm Gummibund hervor, struppiges, feuchtes Schamhaar. Ihr vorgewölbter Bauch drückte auf ihre Oberschenkel. Ihr Kopf war seitlich an die Scheibe gepresst, die Wange, die Lippen verschoben. Eine Verrückte war das, die ihn da anflehte.
    »Lass mal«, sagte er und prüfte im linken Außenspiegel, ob hinter ihnen jemand kam.
    Er startete den Motor und steuerte zurück auf die Straße.
    Alles weitere hatte Feldberg geregelt.
     
    »Du hast es über Gebühr strapaziert. Damals«, sagte er zu Feldberg, dem der Morgen eine rosafarbene Blässe aufs Gesicht legte. Unten fuhr eine Straßenbahn an. Die Takte hatten sich verkürzt, sie fuhren jetzt alle sieben Minuten.
    »Haben sie dir eine Gehirnwäsche verpasst, als ich weg war?« Feldberg klang enttäuscht. »Vergangenheitsbewältigung? Die ganzen Lügen? Willst du nicht endlich das Resultat meines Außeneinsatzes hören?«
    »Zuviel Feindkontakt«, sagte Ton.
    »Aber hallo! Diese Journaille weiß ihre Manipulationsinstrumente gut zu handhaben, das muss man denen lassen.«
    »Du«, sagte Ton, »hattest zu viel Feindkontakt damals.«
    Auf der Fete waren nur zwei, drei von Feldbergs Leuten gewesen, den Rest hatte er selbst angeschleppt, aufgegabelte Bekanntschaften, ein paar Kumpel aus Schulzeiten, die er als Rückendeckung brauchte für seine Aussprache mit Inez oder was man eben so Aussprache nannte. Aber diese zwei, drei Leute hatten genügt. Er hatte den Depp für sie gemacht, hatte ihnen den coolen Hecht gegeben. Den Schürzenjäger. Hatte sich aufgeführt wie ein Halbstarker.
    Frauen gab es genug. Und immer gab es wenig Abwechslung und viel Bier. Es war leicht, zum Zug zu kommen. Obwohl das nicht seine Absicht gewesen war. Es war unter Niveau, und trotzdem hatte er weitergemacht. Er hatte sogar eine von ihnen kurzerhand an die Hauswand gestellt und ihr den Rock hochgeschoben. Die war schon ziemlich zu, abgefüllt mit Cola-Wodka, aber die Beine hatte sie schön aufgemacht.
    Ruck, zuck ging das. Kurz und schmerzlos. Wie ein Fick bei der Kartoffelernte, hatte er höhnisch gedacht, als er den Hosenstall wieder zumachte. Er hätte sich gern länger zu schaffen gemacht, schon wegen dieser zwei, drei Leute im Rücken. Man brauchte nicht mal einen Kumpel, der bei derselben Truppe war, um sie zu enttarnen. Man sah es an den Visagen. Man konnte ihnen irgendwas in die Rübe pflanzen, und sie machten es. Gehorsam wie Schafe. Das waren Leute, die in der Herde funktionierten, Leute fürs Grobe, aber ohne jede Risikofreude, und es gab zu viele davon. Das war das Problem. Das hätte ihnen mal jemand stecken sollen, diese Überflutung des Apparats mit dummem Gehorsam. Er hatte ihnen den Freier auf Brautschau gegeben, damit sie auch ganz sicher kapierten, dass Schluss war mit der amourösen Verbindung zur Tochter eines Revanchisten.
    Was für ein Eiertanz.
    Dachte Ton in seinem Barockaltbau mit seinem alten Freund Feldberg an der Seite. Die Aussprache mit Inez hatte der Eiertanz verkürzt, oder was man so Aussprache nannte. Sie hatte ihn bloß angestarrt. Hatte dagestanden im Schutz des Dunkels auf dem Grundstück und kein Wort gesagt. Hatte sich nicht gerührt. Hatte wohl gedacht, die Dunkelheit lasse sie verschwinden, Geheimluft, die ihren Schützling nur unter anderen Aggregatzuständen preisgebe. Es war aber eine ganz normale feuchtkalte Herbstluft gewesen, und der degenerierte Köter hatte sie aufgespürt. Er hatte sich einen Knochen geholt, den jemand über die Balustrade geworfen hatte, und war damit zurück ins Dunkel gerast, wo er jaulte. Feldberg war schon nicht mehr nüchtern gewesen. Beim Klettern über die Holzplanken der Terrasse hatte er sich so dämlich angestellt, dass er hängengeblieben war und sich den Knöchel verstaucht hatte. Es musste die Schadenfreude sein, dachte Ton, die ihm

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