Sturz der Tage in die Nacht
aufgesetzt und mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Es war starker Kaffee, einer, der
Tote aufweckt,
wie ihre Mutter bei solchen Gelegenheiten sagte, aber an ihre Mutter hatte Inez jetzt nicht denken wollen.
»Zu essen ist nichts da«, sagte Feldberg. Er trug einen braunen Trainingsanzug und hatte sich noch nicht rasiert. »Ich bin nicht so der Frühstücker. Aber wenn du willst, hol ich dir ’ne Schrippe im Konsum.«
Inez trank zwei kleine Schluck Kaffee und wärmte ihre Hände an der Tasse.
»Musst du nicht arbeiten?«
»Haushaltstag.« Feldberg grinste.
»Was’n das für eine Arbeit, wo der Mann Haushaltstag hat?«
»Ich sichere den Frieden in unserer Republik.«
»Sehr witzig. Und dein Hund?«
»Der hat immer Haushaltstag.«
»Der ist komisch.«
»Akko ist ein Straßenköter aus Rumänien. Die sind vielleicht ’n bisschen komisch. Geht’s dir besser?« Feldberg stand auf. »Ich schmeiß noch ’n paar Bohnen aufs Feuer.«
»Und wo ist er jetzt?«
»Wer?«
»Dein Hund.«
»Nachgucken, ob die Welt sich über Nacht verändert hat.«
»Sie hat sich verändert«, sagte Inez. »Das weißt du doch.«
»Sprech ich die Hundesprache?«, sagte Feldberg und verschwand in die Küche. Sie hörte ihn durch die offene Anrichte mit dem Wasserkessel hantieren.
»Ich will keinen Kaffee mehr«, rief sie. »Ich darf nicht.«
Er hatte ihr Brötchen geholt und Pfefferminztee gemacht und einen Klappstuhl auf die Terrasse gestellt, und sie sah zu, wie er den ganzen Mist vom letzten Abend wegräumte, die leeren Bierflaschen, die Asche, die noch halbvollen Gläser, die Gläser mit Lippenstiftspuren, die Gläser mit ausgedrückten Kippen, die Glasscherben am Terrassenrand.
Zum Schluss spritzte er den fettigen Grillrost mit dem Gartenschlauch ab und steckte ihn in einen Eimer mit heißem Wasser und Fit. Es beruhigte sie, ihn hantieren zu sehen. Zwischendurch sagte sie immer mal wieder zusammenhanglos:
Ich bin schwanger
, bis er entgegnete: »Du reitest ganz schön darauf rum.«
»Ich nehme an, für dich keine so große Sache.«
»Sag ich doch.«
»Für deinen Freund auch nicht. Ein richtig männlicher Charakterzug.«
»Das ist was anderes«, sagte Feldberg. »Er hat das Balg schließlich gemacht.«
»Sag das nicht so.«
»Bist du in diesen Lurch etwa schon verliebt? Das verstehe ich nicht an euch Weibern. Ihr verliebt euch am liebsten in das, was nicht existiert.«
»Den Lurch, wie du das nennst, spür ich schon.«
»Noch ein Grund weniger.«
»Typen wie du verlieben sich nie, was?«, sagte sie.
Feldberg zog seine Hände aus dem Eimer. Er richtete sich auf. An seinen Fingern hing weißer Schaum. »Man muss nicht gleich sterben, wenn man sein Leben beenden will«, sagte er. Der Schaum rann langsam an seinen Fingern hinunter und tropfte ins Gras.
»Schon klar, du hast ein Kind. Du hast den großen Krach mit deinen Eltern am Hals. Haben dichtgemacht, weil sie ideologisch mit ihrer Tochter nicht mehr auf der gleichen Höhe sind. – Widersprich mir nicht. Alles schon dagewesen. Sie haben dichtgemacht, weil dein Zukünftiger auf einer ganz anderen ideologischen Höhe ist, weil das ein echter Roter ist und Familie Rauter denkt, sie gehören mit ihren kultivierten Untersetzern und dem geerbten Silberbesteck zur Bourgeoisie. Das verträgt sich nicht. Aber jetzt mit eingezogenem Schwanz nach Hause zu kriechen passt auch nicht zu dir.«
»Was weißt du von meinen Eltern«, sagte Inez.
»Und er? Hat
er
ein einziges Mal an sie gedacht?«
»Du weißt überhaupt nichts von meinen Eltern.«
Feldberg lächelte. Er trocknete sich an einem alten Lappen die Hände ab. »Hat er jemals daran gedacht, was das für eine Leistung ist? Was das für ein Rückgrat von dir verlangt? Partei zu ergreifen
für
ihn und
gegen
sie?«
»Lass meine Eltern einfach aus dem Spiel.«
»Hat er einen blassen Schimmer, dass du nachts nicht pennen kannst?«, sagte er.
»Du könntest noch mal mit ihm reden. Du hast es versprochen.«
»Dass du dich in deinen Kissen rumwälzt, bis dieser Lurch im Bauch denkt, es ist Tag, und es gibt was zu futtern?«
»Das ist mein
Kind
.«
»Und für den Lurch von so einem willst du dein Leben opfern.«
»Du hast gerade gesagt, ich muss mein Leben nicht opfern.«
»Nein?«
»Es gibt Kinderkrippen. Kindergärten. Hort.«
»Tag für Tag ist er das Erste und das Letzte, womit du dich abgibst. Und an jedem davon erinnert er dich an diese Demütigung.«
»Ob’s ein
er
ist, ist ja noch nicht
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