Sturz der Titanen
aufreizende Weise zu schütteln pflegte. »Warum schaut ihr so düster drein?«, fragte sie fröhlich. »Kommen Sie, Mr. Dewar. Lassen Sie uns tanzen.«
Gus’ Stimmung hellte sich auf. »Mit Vergnügen.«
Greta führte ihn davon.
Walter kehrte ebenfalls zur Feier zurück, doch während er mit Freunden und Verwandten plauderte, war er in Gedanken bei Gus Dewars Vorschlag und der Frage, wie er ihn am besten fördern konnte. Wenn er mit seinem Vater sprach, musste er darauf achten, nicht zu eifrig zu erscheinen, denn das würde nur den Widerstand Otto von Ulrichs erregen. Walter beschloss, die Rolle des neutralen Boten zu spielen.
Nachdem die Gäste gegangen waren, fing Susanne von Ulrich ihren Sohn im Salon ab. Der Raum war im Rokokostil dekoriert, den altmodische Deutsche noch immer bevorzugten. »Diese Monika von der Helbard ist wirklich reizend«, bemerkte Susanne.
»Sehr charmant«, pflichtete Walter ihr bei.
Seine Mutter trug keinen Schmuck. Sie leitete das Goldsammelkomitee und hatte ihre sämtlichen Juwelen verkauft, nur ihren Trauring hatte sie behalten. »Ich muss sie wieder einladen, das nächste Mal mit ihren Eltern. Ihr Vater ist Freiherr von der Helbard.«
»Ich weiß.«
»Eine bemerkenswerte Familie. Sie sind von altem Adel.«
Walter ging zur Tür. »Wann erwartest du Vater zurück?«
»Bald. Komm, setz dich, Walter, und sprich ein bisschen mit mir.«
Walter erkannte, dass er zu offensichtlich hatte verschwinden wollen. Der Grund dafür war, dass er in Ruhe über Dewars Vorschlag nachdenken wollte. Er war seiner Mutter gegenüber unhöflich gewesen, doch er liebte sie; deshalb würde er jetzt Buße tun. »Mit Vergnügen, Mutter.« Er setzte sich ihr gegenüber. »Danke, dass du dieses Fest für mich gegeben hast. Es war wundervoll.«
Susanne nickte, wechselte aber das Thema. »Dein Vetter Robert wird vermisst«, sagte sie. »Er ist während der Brussilow-Offensive verschwunden.«
»Ich weiß. Vielleicht haben die Russen ihn gefangen genommen.«
»Oder er ist tot. Und dein Vater ist sechzig Jahre alt. Du könntest bald Graf von Ulrich sein.«
Walter ließ sich durch diese Aussicht nicht verführen. Heutzutage waren Adelstitel immer weniger wert. Tatsächlich könnte ein Grafentitel sich nach dem Krieg sogar als Nachteil erweisen, selbst wenn Walter stolz darauf war.
Aber wie auch immer, er wollte den Titel jetzt noch nicht. »Es gibt noch keine Bestätigung, dass Robert gefallen ist.«
»Natürlich nicht. Aber du musst dich vorbereiten.«
»Inwiefern?«
»Du solltest heiraten.«
»Oh!« Walter war überrascht, obwohl er es hätte kommen sehen müssen.
»Du brauchst einen Erben, der den Titel übernehmen kann, wenn du stirbst. Und du könntest schon bald sterben. Auch wenn ich jeden Tag bete …« Sie verstummte und schloss für einen Moment die Augen, um die Fassung wiederzuerlangen. »… auch wenn ich jeden Tag bete, dass der Herr dich beschützt, wäre es doch das Beste, du würdest so schnell wie möglich einen Sohn zeugen.«
Susanne hatte Angst, ihren Sohn zu verlieren. Umgekehrt hatte Walter Angst, seine Mutter könnte sterben. Er schaute sie liebevoll an. Sie war blond und hübsch wie Greta, und vielleicht war sie früher auch so lebhaft gewesen. Tatsächlich strahlte ihr Gesicht in diesem Augenblick, und ihre Wangen waren von der Feier und dem Champagner gerötet. Allerdings geriet sie heutzutage schon beim Treppensteigen außer Atem. Sie brauchte Ruhe und musste vor Kummer und Schmerz bewahrt werden, so gut es ging. Aber der Krieg ließ das nicht zu. Nicht nur Soldaten sterben in diesem Konflikt, dachte Walter besorgt.
»Bitte, denk über Monika nach«, sagte Susanne.
Walter verzehrte sich danach, ihr von Maud zu erzählen. »Monika ist ein wunderbares Mädchen, aber ich liebe sie nicht. Ich kenne sie ja kaum.«
»Dafür ist keine Zeit! Im Krieg kann man solche Feinheiten außer Acht lassen. Triff dich mit ihr. Du hast noch zehn Tage Fronturlaub. Triff dich jeden Tag mit ihr. An deinem letzten Urlaubstag könntest du ihr einen Heiratsantrag machen.«
»Was ist mit ihren Gefühlen? Vielleicht will sie mich gar nicht.«
»Sie mag dich.« Susanne wandte den Blick ab. »Und sie wird tun, was ihre Eltern sagen.«
Walter wusste nicht, ob er belustigt oder verärgert sein sollte. »Du und Monikas Mutter, ihr habt das alles schon eingefädelt, nicht wahr?«
»Wir leben in schrecklichen Zeiten. Du könntest in drei Monaten verheiratet sein. Dein Vater wird dafür sorgen, dass
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