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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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»Wenn die Militärführung einen U -Boot-Krieg für essenziell hält«, sagte er, »bin ich nicht in der Position, ihr zu widersprechen. Andererseits …«
    Er sollte den Satz nie zu Ende bringen. Von Holtzendorff sprang auf und unterbrach ihn. »Ich gebe Ihnen mein Wort als Marineoffizier, Majestät, dass kein Amerikaner je den Fuß auf den Kontinent setzen wird!«
    Das ist absurd, dachte Walter. Was hatte denn das Wort eines Marineoffiziers damit zu tun? Aber es kam beim Kaiser besser an als jede Statistik. Wilhelms Miene hellte sich auf, und mehrere Anwesende nickten zustimmend.
    Von Bethmann Hollweg schien sich geschlagen zu geben. Er sank förmlich auf dem Stuhl zusammen; die Anspannung wich aus seinem Gesicht, und in resigniertem Tonfall sagte er: »Wenn der Erfolg gesichert ist, müssen wir das tun.«
    Der Kaiser machte eine knappe Geste, und von Holtzendorff schob das mit der Schleife versehene Dokument über den Tisch.
    Nein, dachte Walter, wir dürfen eine solch schicksalhafte Entscheidung nicht auf der Basis derart unzureichender Gründe treffen!
    Der Kaiser griff zur Feder und unterschrieb.
    Dann legte er die Feder beiseite und erhob sich.
    Erneut sprangen alle auf.
    Das kann doch nicht das Ende sein, dachte Walter.
    Der Kaiser verließ den Raum. Die Spannung löste sich; überall begannen Gespräche und Diskussionen. Bethmann Hollweg blieb sitzen und starrte auf den Tisch. Er sah aus wie ein Mann, der sich in ein ungnädiges Schicksal fügte. Er murmelte irgendetwas vor sich hin. Walter trat näher an ihn heran, um zu hören, was er sagte. Es war Latein: Finis Germaniae – das Ende Deutschlands.
    Generalmajor von Henscher sagte zu Otto von Ulrich: »Wenn du mit mir kommst, können wir gemeinsam zu Mittag essen. Sie auch, junger Mann.« Er führte Vater und Sohn in ein Nebenzimmer, wo ein Büfett auf sie wartete.
    Schloss Pleß diente dem Kaiser als Residenz; entsprechend reichhaltig war das Essen. Walter füllte seinen Teller mit kaltem Huhn, Kartoffelsalat und Weißbrot.
    »Außenminister Zimmermann hat mit der heutigen Entscheidung gerechnet«, sagte von Henscher. »Jetzt will er wissen, was wir tun können, um die Amerikaner zu entmutigen.«
    Das wird uns kaum gelingen, dachte Walter. Wenn wir amerikanische Schiffe versenken und amerikanische Bürger ertränken, werden die Vereinigten Staaten zurückschlagen.
    Der Generalmajor fuhr fort: »Können wir zum Beispiel eine Protestbewegung unter den 1,3 Millionen Amerikanern organisieren, die in Deutschland geboren wurden?«
    Walter stöhnte innerlich auf. »Auf gar keinen Fall«, antwortete er. »Jeder, der so etwas für möglich hält, ist einem Ammenmärchen aufgesessen.«
    »So redet man nicht mit einem Vorgesetzten!«, sagte sein Vater scharf.
    Von Henscher hob beruhigend die Hand. »Lass den Jungen seine Meinung äußern, Otto. Sie interessiert mich. Warum sagen Sie das, Herr Major?«
    Walter antwortete: »Diese Deutschen in den USA hegen keine allzu liebevollen Gefühle für ihr Vaterland. Warum, glauben Sie wohl, haben sie ihre Heimat verlassen? Sie mögen ja Bratwurst essen und Bier trinken, aber sie sind Amerikaner und werden für Amerika kämpfen.«
    »Was ist mit den Iren in den USA ?«
    »Für sie gilt das Gleiche. Natürlich hassen sie die Briten, aber wenn unsere U -Boote Amerikaner töten, werden sie uns noch mehr hassen.«
    Otto fragte gereizt: »Wie soll Präsident Wilson uns denn den Krieg erklären? Er hat doch gerade erst die Wahl gewonnen, weil er Amerika bis jetzt herausgehalten hat!«
    Walter zuckte mit den Schultern. »In vielerlei Hinsicht macht es das sogar einfacher für den Präsidenten. Wenn er uns den Krieg erklärt, wird die amerikanische Bevölkerung überzeugt sein, er hätte keine andere Wahl gehabt.«
    »Was könnte ihn davon abhalten?«, fragte von Henscher.
    »Schutz für Schiffe neutraler Staaten …«
    »Das kommt nicht infrage«, unterbrach ihn sein Vater. »Die Marine will den uneingeschränkten U -Boot-Krieg, und Seine Majestät hat ihn ihr zugestanden.«
    Von Henscher sagte: »Wenn innenpolitische Fragen Wilson nicht beunruhigen, besteht dann vielleicht die Möglichkeit, dass außenpolitische Probleme ihn ablenken könnten?« Er blickte Otto an. »Mexiko zum Beispiel.«
    Otto lächelte. »Du denkst an die Ypiranga , nicht wahr? Ich muss gestehen, das war ein kleiner Triumph aggressiver Diplomatie.«
    Walter hatte die Schadenfreude seines Vaters wegen dieses Vorfalls, bei dem es um eine Schiffsladung deutscher

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