Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
Richtung. Das war eine gute Gelegenheit, die Wahrheit zu sagen. »Am 12. November 2008. Ich war achtzehn. Es ist einfach mitten in einer Unterrichtsstunde über französische Lyrik passiert. Erst bin ich an meinem Tisch eingeschlafen, und dann stand ich plötzlich draußen vor dem Studentenwohnheim. Es dauerte eine Weile, bis ich begriffen habe, was da passiert war.«
Und dass ich nicht komplett wahnsinnig war.
Melvin schüttelte den Kopf. »Verblüffend.«
»Was ist daran verblüffend, wenn man zwei Jahre in die Vergangenheit versetzt ist und nicht mehr zurück kann?« fragte ich.
»Nicht das, aber deine Fähigkeiten, und du bist noch nicht mal …«
Dad stieß ihn mit dem Ellbogen an. »Wir wollen ihn heute Abend nicht mit zu vielen Dingen belasten.«
»Woher wusstest du, dass ich es kann? Das Zeitreisen?«, fragte ich Dad.
Melvin und Dad wechselten einen langen Blick, dann antwortete Melvin für ihn: »Du trägst ein rezessives Gen in dir. Wir bezeichnen es als Tempus-Gen. Es ist dafür bekannt, dass es gewisse Symptome und Fähigkeiten hervorruft.«
»Was meinen Sie mit ›es ist dafür bekannt‹? Dass … es andere gibt?«
Wie den Mann im Park heute? Einen der letzten Menschen, die ich im Jahr 2009 gesehen habe?
»Zeitspringer wurden durch die gesamte Geschichte hindurch beobachtet. Aber es wurde geheimgehalten«, sagte Marshall.
Sie erwarteten alle, dass ich darauf etwas erwiderte; wahrscheinlich glaubten sie, ich stünde unter Schock. Und das tat ich wahrlich auch, aber ich brauchte vor allem Zeit, um meine Worte sorgfältig zu wählen. »Waren dieser Mann im Park und die Frau also auch Zeitreisende? Können sie es tun, wann immer sie wollen?«
»Das hängt vom Einzelfall ab«, sagte Dr. Melvin. »Nach den Informationen, die wir gewinnen konnten, variiert diese Fähigkeit. Welche Art von Kontrolle hast du über dein Können?«
»Ich kann es nicht mehr. Es ist vor diesem letzten Sprung nur zweimal passiert … aber die waren ganz anders.«
Dr. Melvin richtete sich kerzengerade auf, kam zu mir geeilt und setzte sich auf den Couchtisch vor mir. »Du hast gesagt, du würdest zwei Jahre zurück in der Vergangenheit festhängen, nicht wahr? Aber was ist mit diesen anderen Sprüngen? Wie hast du dabei verhindert, dass du steckenbleibst?«
Ich erklärte die Details des Springens bis zu dem Punkt, an dem ich hier gestrandet war. Ich versuchte, so viele wahre Einzelheiten hineinzupacken, wie es bei den zwei Sprüngen, von denen ich ihnen erzählte, möglich war.
»Begegnest du dir eigentlich jemals selbst, wenn du in die Vergangenheit springst?«, fragte Melvin. Er hatte wieder diesen intensiven Blick aufgesetzt, den ich noch nie zuvor bei jemandem gesehen hatte.
»Einmal. Bei meinem zweiten Sprung, da bin ich mir selbst auf der Arbeit begegnet.«
Aus irgendeinem Grund gerieten sowohl Marshall als auch Dad bei diesem Statement aus der Fassung. Marshall kam näher und setzte sich neben Melvin. Dann sagte Dad: »Es könnte auch sein, dass er nur halluziniert, dass er sich selbst sieht. Das tatsächliche Gedächtnis kollidiert mit dem Sprung in die Vergangenheit.«
»Vielleicht, aber warum habe ich hier kein anderes Ich? Das andere Ich ist in Spanien spurlos verschwunden.«
»Er hat keine vollen Sprünge gemacht«, sagte Melvin plötzlich. Sein Gesicht trug denselben gierigen, aufgeregten Ausdruck wie das des Mannes namens Edwards im Jahr 1996. »Welch unglaubliche Ironie! Ein Halbblut macht Halbsprünge …«
»Melvin!«, sagte Dad scharf.
»Halbblut?«, fragte ich. »Halbsprünge?«
Totenstille. Dann fingen Dad und Melvin gleichzeitig an zu reden.
»Na ja … Das Gen ist nicht identisch mit den anderen«, stammelte Melvin.
»Nicht identisch?« Das wurde ja immer wahnsinniger.
»In der dokumentierten Geschichte. Melvin kennt sich ein wenig …«
»Genug!«, sagte Marshall und sah mich direkt an. »Dr. Melvin ist ein Experte in Bezug auf dieses rezessive Gen. Wahrscheinlich weiß er mehr darüber als irgendwer sonst auf der Welt. Die CIA hat keine andere Wahl, als jeden, der das Tempus-Gen in sich trägt, genau zu überwachen. Ich glaube, wir haben es hier mit einer einfachen Evolutionserscheinung zu tun. Das ist der Grund, weshalb du anders bist als andere dokumentierte Fälle. Mit der Zeit verändert es sich.«
Ja, gut. Mehr fehlende Puzzleteile. Erst Melvins Ausrutscher mit dem Kommentar über die »Halbblüter«, und dann erinnerte ich mich an Dads Patzer von neulich Abend, als er
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