Sturz ins Glück
das sie Miguel gegeben hatte, einhalten wollte, ließ sie sich an einem Pfosten des Pferches hinuntergleiten. Sie lehnte ihren Rücken dagegen, während sie die Beine erschöpft ausstreckte.
„Was soll ich tun, Herr?“ Ein Windstoß trug ihre Frage in Richtung Himmel. „Ich liebe ihn und will seine Frau werden, aber ist das auch dein Wille? Hast du mich doch für mehr als den Unterricht für Isabella hierher geführt?“
Tränen traten in ihre Augen. „Ich will ihn nicht verlieren. Ich will auch nicht, dass Isabella ihn verliert. Du sagst uns, dass wir zu dir kommen und auf dich warten sollen, aber meine Geduld ist aufgebraucht. Hab Erbarmen mit mir, Herr. Zeig mir bitte deinen Weg … schnell.“
Adelaide hob den Kopf und wischte sich eine Träne von der Wange. Sie schaute zum Mond auf und fand Trost in dem hellen Schimmer, bis ein schriller Pfiff sie aus ihren Gedanken riss. Juan galoppierte auf den Hof, der Wagen des Arztes leicht hinter ihm. Miguel musste ihre Ankunft angekündigt haben, denn James und Chalmers stürmten aus dem Haus, um die Männer zu begrüßen. Adelaide wollte aufspringen und mit dem Arzt reden, doch eine innere Stimme sagte ihr, dass sie warten sollte.
James konnte die Wunde und die bisherige Behandlung beschreiben. Chalmers konnte holen, was auch immer benötigt wurde, um Gideon weiterhin zu versorgen. Mrs Chalmers kümmerte sich um Isabella. Sie selbst konnte ruhig noch ein bisschen hier draußen bleiben und um Weisheit beten. Sie musste Gott nur vertrauen, um ruhig zu warten.
Doch eigentlich wollte sie nicht ruhig warten. Sie wollte ins Haus laufen und dem Arzt zusehen, wenn er sich um Gideon kümmerte. Alles in sich aufnehmen, was er sagte und tat. Sehnsüchtig sah sie zu, wie Chalmers den Doktor ins Haus führte. James sah sich um, als suche er sie in der Dunkelheit, dann schloss er die Tür.
Adelaides Herz bestand immer noch darauf, dass sie hineingehen sollte. Doch ihre Seele lechzte danach, vor dem Herrn zur Ruhe zu kommen. Minutenlang fragte sie sich, was zu tun sei, bis sie schließlich dem Drang ihrer Seele nachgab.
Widerwillig löste sie den Blick von der Küchentür und richtete ihn wieder auf den Mond, der über Westcott Cottage stand. Der Wind trieb Wolkenfetzen an der Sichel vorbei. Wie betäubt starrte Adelaide zum Himmel. Eine Wolke schien sich nicht zu bewegen. Sie stand still, als ob sie auf etwas warten würde.
Adelaide beugte sich nach vorne und blinzelte. Tatsächlich, eine widerwillige Wolke sträubte sich, sich vom Wind über den Himmel treiben zu lassen. Vielleicht hing sie tiefer als die anderen oder vielleicht spielten Adelaides übermüdete Augen ihr auch nur einen Streich, doch ihr Herzschlag beschleunigte sich trotzdem. Konnte es sein, dass die Wolke ein Zeichen dafür war, dass sie hierbleiben sollte? Vielleicht für immer?
„‚Immer, wenn sich die Wolke vom Zelt erhob, brachen die Israeliten auf‘“, zitierte Adelaide flüsternd. „,Erhob sie sich nicht, blieben die Israeliten, wo sie waren, bis die Wolke weiterzog.‘“
Ihre Wolke hatte sich nicht erhoben.
Ihr Herz freute sich über dieses Zeichen, dass sie auf Westcott Cottage bleiben konnte, während Adelaides Verstand ihr klarzumachen versuchte, dass es sich lediglich um ein Wetterphänomen handelte. Sie schloss die Augen und suchte tief in ihrem Inneren nach Antworten. Tiefer, als die Vernunft schauen konnte. Auch tiefer, als ihre Gefühle reichten. Sie blickte in ihre Seele, um Gottes Ratschlag zu erspüren. Und da war er. Der Herr wollte, dass sie blieb, wo sie war. Mit Gideon.
Die Zweifel verschwanden, als sie auf die Füße sprang und ins Haus rannte. Fast hätte sie über sich selbst gelacht, weil sie es nicht abwarten konnte, Gideons Heiratsantrag anzunehmen. Sie biss sich lächelnd auf die Lippe, doch als sie die Tür zur Küche öffnete, schrak sie zurück. Der Tisch war leer. Er war doch nicht …
„Gideon!“
Sie rannte in den Flur und prallte mit Mrs Garrett zusammen. Adelaide umklammerte den Arm der anderen.
„Mabel, wo ist –“
„Sie haben ihn nach oben gebracht. Machen Sie sich keine Gedanken. Er atmet noch.“
Die Erleichterung ließ ihre Knie schwanken. Plötzlich war sie diejenige, die unsicher auf den Beinen war.
„Der Arzt ist sicher bald fertig mit ihm. Ach ja, der Pfarrer ist auch da. Betet, denke ich. Aber warum er das nicht von der Stadt aus machen konnte, ist mir ein Rätsel. Es ist ja nicht so, als hätte Gott keine Ahnung von dem, was hier
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