Sub Terra
erst gar nicht versuchen; er würde sie doch wieder einholen. Dennoch beunruhigte sie seine Sorglosigkeit.
Sie kniete sich an Jasons Seite. »Hat er dir wehgetan?«
»Nein, aber … Ich konnte mich nicht dagegen wehren.« Plötzlich brach Jason in Tränen aus.
Sie drückte ihn an sich. »Was ist denn, Jason? Sag es mir doch.«
Sein Schluchzen ging in ein krampfhaftes Zittern über. »Er … er … Ich will nicht sterben!«
Sie hielt ihn ganz fest und ließ ihn langsam zur Ruhe kommen. Nach mehreren Minuten schniefte er ein letztes Mal. »Ich bringe dich hier raus, das verspreche ich dir«, sagte sie und hoffte, dass sie das Versprechen halten konnte. »Nun hol tief Luft und erzähl mir, was passiert ist.«
Er ließ den Kopf hängen und hob dann sein Hemd hoch. Sie zuckte ein wenig zurück, weil sie befürchtete, er würde ihr Spuren einer körperlichen Misshandlung zeigen. Aber was Jason ihr zeigte, war schlimmer.
»Mein Gott!«, japste Linda. »Was hat er mit dir gemacht?«
Jason zog vorsichtig an dem schwarzen Nylongürtel, der fest um seinen weißen Bauch gezogen war. Die Umrisse grauer Plastiksprengstoffwürfel drückten sich durch den Gürtel. Die Würfel waren durch farbige Drähte miteinander verbunden. Sie guckte genauer auf die große Gürtelschnalle. Eine leuchtende LED-Anzeige mit einer kleinen Tastatur, so groß wie eine Visitenkarte, war an der Schnalle befestigt. Ein Bündel farbiger Kabel führte in die Tastatur hinein. Kleine rote Zahlen auf dem Display zählten rückwärts.
»Warum?«, murmelte Linda zu sich selbst.
»Er hat gesagt, es wäre eine Lektion in Gehorsam«, antwortete Jason. »Alle zwei Stunden muss Khalid einen geheimen Code eingeben, oder die Bombe geht in die Luft. Und wenn ich den Gürtel ablege, explodiert sie auch.«
Linda ließ die Schultern herabsacken. »Dieser Schweinehund. So sind wir von ihm abhängig. Wenn wir fliehen oder Khalid etwas passiert, dann …« Sie sprach nicht zu Ende.
»… dann fliege ich in die Luft«, führte Jason den Satz zu Ende. »Er hat gesagt, es würde nicht wehtun.«
»Das alles hat er dir erklärt? Was für ein Monster ist er bloß?«
Jason antwortete mit leiser Stimme: »Ein schlaues.«
26
ASHLEY ZOG HARRY am Ärmel. Sie bemerkte, wie ähnlich er Major Michaelson sah, besonders mit dem strengen Gesichtsausdruck, den er gerade hatte, mit den zusammengepressten Lippen und der tiefen Furche über der Nase. »Worüber haben die sich gerade gestritten?«, fragte sie.
Mo’amba war dem Häuptling bereits hinausgefolgt, und ein großer Teil der Krieger war in unterschiedliche Richtungen verschwunden. Sie blickte sich um. Ein kleiner Kader von Stammesangehörigen mit Speeren umgab sie immer noch und warf ihnen misstrauische Blicke zu.
»Und was für einen Ärger bekommen wir jetzt?«, fragte sie, wieder zu Harry gewandt.
Er beobachtete die Krieger mit zusammengekniffenen Augen und sagte: »Ärger ist ein harmloses Wort dafür. Sie haben entschieden, dass ihr beiden doch sterben sollt.«
Ashley schaute ihn entsetzt an. »Aber wieso? Was ist mit Ihnen und Michaelson?«
»Wir sind von der Kriegerkaste adoptiert worden. Diese Kaste besitzt einen strengen Ehrenkodex – sie nennen es Il’jann. Nicht einmal die Ältesten mischen sich da ein. Sie beide dagegen sind Fremde. Sündenböcke.«
Ashley blickte zu Ben. Eigentlich hätte sie um ihr eigenes Leben fürchten müssen, doch es war das Schicksal ihres Sohnes, das sie bedrückte und ihr die Kehle zuschnürte. Sie durfte noch nicht sterben … nicht bis sie Jason in Sicherheit wusste.
Ben beobachtete fortwährend die nackten Krieger um sich herum, doch sie schaffte es, seinen Blick auf sich zu ziehen. Er drückte tröstend ihren Arm. »Ich weiß, ich weiß«, sagte er, als könnte er ihre Gedanken lesen. »Wir kommen hier schon raus und finden Jason.«
Ashley holte tief Luft und wandte sich zu Harry. »Was ist mit Mo’amba?«
Harry schüttelte den Kopf. »Ihr Häuptling, Bo’rada, hat den übrigen Stamm gegen Sie aufgewiegelt. Aber eins muss man dem Alten lassen. Mo’amba hat es geschafft, eine Versammlung des Ältestenrats einzuberufen, bevor das Urteil vollstreckt wird – und das in letzter Minute. Sie ist für morgen Vormittag angesetzt.«
Ben trat auf ihn zu. »Wie wäre es dann, wenn wir heute Nacht ausbrechen würden?«
Harry seufzte und schüttelte den Kopf. »Das schafft ihr nie. Da draußen lauern zu viele Hinterhalte, Fallen und Bestien auf euch. Selbst wenn es euch
Weitere Kostenlose Bücher