Sub Terra
sie in ihren Gürtel gesteckt und mit dem über die Hose hängenden Hemd verdeckt. Nur für den Fall, dass alles schiefging, würden sie die Pistole gebrauchen, um das Gebiet der Jäger zu erreichen und mit Michaelson zusammenzutreffen … und mit seinem Arsenal.
Eine Stammesangehörige betrat den Raum durch einen anderen Eingang. Sie trug einen Stab, dessen Spitze mit einem Amethyst besetzt war. Ihre hängenden Brüste ließen unschwer ihr Geschlecht erkennen, und ihr Bauch verriet, dass sie höchstwahrscheinlich schwanger war. Sie schritt durch den Raum, um sich auf eines der Kissen zu knien. Zwei Wachen flankierten sie. Sie beachtete Ashley und deren Leute nicht und vermied den Blickkontakt, als sie sich niederließ.
Dagegen gab sie dem nächsten Ratsangehörigen mit einem Kopfnicken ein Zeichen, den Raum zu betreten. Es kostete Ashley ein wenig Überwindung, ihn anzuschauen, denn ihm fehlte eine Hand, und eine klaffende Narbe lief über sein Gesicht. Er zog sein linkes Bein ein wenig nach, als er auf das purpurne Kissen zusteuerte und sich mit einem lauten Seufzen daraufplumpsen ließ.
Harry näherte sich Ashley. »Das ist Tru’gula. Er ist der Anführer der Kriegerkaste. Er sieht zwar heruntergekommen aus, aber er ist ein scharfer Hund.«
Obwohl Harry geflüstert hatte, hatte Tru’gula seine Worte anscheinend mitbekommen, denn er warf ihnen einen finsteren Blick zu. Harry ging wieder einen Schritt zur Seite und schwieg, als eine Prozession von Gestalten mit Stäben an ihnen vorbeischritt, die sich auf den restlichen Kissen niederließen. Bald standen auch zahlreiche bewaffnete Wachen an den Wänden. Ashley rutschte hin und her und versuchte, die Pistole in eine bequemere Stellung zu bekommen. Doch auch wenn sie ihr ins Kreuz drückte, gab ihr das Gefühl eine gewisse Sicherheit.
Mo’amba ging nah an Ashley vorbei, als er zu seinem rot-gelb karierten Kissen humpelte. Auch er ignorierte sie.
Als Letzter traf der Häuptling des Stamms, Bo’rada, ein. Harry hatte ihr erzählt, dass Bo’rada der Sohn des letzten Häuptlings war. Man hatte ihm das Amt aus Respekt für seinen Vater verliehen. Die meisten Räte tolerierten ihn, doch genoss er keinen guten Ruf, sagte man ihm doch nach, er sei zu sprunghaft und fälle Entscheidungen zu unüberlegt. Der Rat neigte dazu, sich Entschlüsse lange durch den Kopf gehen zu lassen. Manchmal brauchte er für einfache Angelegenheiten Jahre. Der junge Häuptling mit seiner unsteten und aufbrausenden Art war besonders für die älteren Ratsmitglieder eine Blamage.
Dennoch hatte er seine Anhänger. Harry machte Ashley auf ein besonders dünnes männliches Stammesmitglied aufmerksam, dessen Blick unstet umherwanderte. Seine Hände zupften fortwährend an dem Kissen, auf dem er saß, als ob er keine bequeme Position für seinen knochigen Körper finden könnte. »Sin’jari«, sagte Harry. »Ein schmieriger Speichellecker aus dem Gefolge Bo’radas. Nehmt euch vor ihm in Acht. Er ist so heimtückisch wie nervös.«
»Er sieht aus, als könnte ihn eine steife Brise umpusten«, sagte Ben.
»Unterschätzt den Kriecher nicht. Er ist derjenige, der den Häuptling davon überzeugt hat, dass ihr sterben müsst. Er ist ein Schmeichler und weiß, wie man mit den Ängsten der Menschen spielt und ihnen den Kopf verdreht.«
Der Häuptling stieß den Stab dreimal auf den Boden und setzte sich.
Harry trat zwischen Ben und Ashley, um zu dolmetschen, nachdem die Verhandlung eröffnet worden war.
Ashley hatte erwartet, dass ihr Fall als erster Punkt auf der Agenda stand, aber da hatte sie sich getäuscht. Der erste Tagesordnungspunkt hatte wohl etwas mit der Ernte zu tun. Eine längere Diskussion drehte sich um die Frage, ob man nun damit beginnen oder ob man die Huftiere einen weiteren Monat frei grasen lassen solle. Nach langem Hin und Her, bei dem Mo’amba zu dösen schien, entschied man, dass jetzt geerntet werden sollte.
Ashley richtete sich auf, weil sie erwartete, dass ihr Schicksal als Nächstes verhandelt würde. Weit gefehlt. Das einzige weibliche Mitglied des Rats, Jus’siri, erhob sich als Nächste von ihrem Kissen, wobei ihr eine Wache auf Grund ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft helfen musste.
Ashley trat von einem Fuß auf den anderen. Was denn jetzt? Dieses ewige Warten ging ihr auf die Nerven. Sogar Ben fing an zu murren.
Sie sah, dass Jus’siri zu der kleinen Grube in der Mitte des Raums watschelte. Die anderen Ältesten stellten sich um sie herum, viele
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