Sub Terra
lächelten erfreut.
Ashley fiel das Kinn auf die Brust, als sie sah, was nun passierte.
Ben verzog den Mund. »Das ist ja widerlich.«
Jus’siri griff in ihre Bauchfalte, und beide Hände verschwanden im Beutel. Mit angestrengtem Gesicht, aber stolzem Blick zog sie aus ihrem Beutel ein braun geflecktes Ei, so groß wie das von einem Strauß. Sie hielt es in die Höhe, und ihr leerer Bauch sackte hinab. Die anderen Räte stampften mit ihren Stäben und jubelten. Jus’siri legte das Ei sorgfältig in die kleine Grube – keine Grube, begriff Ashley endlich, sondern ein Nest! Die stolze Mutter trat einen Schritt zurück.
»Mein Gott«, sprudelte es aus Ashley heraus, »es sind keine Beuteltiere! Es sind Kloakentiere!«
»Was?«, fragte Ben mit immer noch angewidertem Gesicht.
»Darüber habe ich mit Linda gesprochen. Kloakentiere, Monotremen. Genau wie die Cra’kan. Eier legende Säugetiere. Ein evolutionäres Bindeglied zwischen Reptilien und Säugetieren, das Merkmale beider Ordnungen trägt. Sie legen Eier wie die Reptilien, haben aber ein Fell und produzieren Milch wie Säugetiere. Angeblich eine Sackgasse der Evolution.«
»Sieht so aus, als hätten die hier eine Umleitung genommen«, sagte Ben.
Ashley drehte sich zu Harry. »Was machen sie?«
»Sie zelebrieren die Namensgebung. Jus’siri bietet ihr Kind dem Stamm an.«
Ashley bemerkte, dass Mo’amba mühsam von seinem Kissen aufstand und zu dem Ei hinüberging. Er kniete sich und legte seine Hände sanft darauf.
»Was tut er?«, fragte Ashley.
Sie hatte Harry gefragt, doch Ben antwortete. »Er nimmt Verbindung mit dem Ei und dem Kind darin auf.«
Ashley schaute Ben mit hochgezogenen Augenbrauen an, aber er schüttelte nur den Kopf, als wäre ihm selbst nicht klar, woher er das wusste.
Mo’amba blickte zur Mutter hoch, während er immer noch das Ei hielt. Lächelnd sagte er etwas zu ihr.
»Es ist gesund«, übersetzte Harry.
Plötzlich schreckte Mo’amba ruckartig zurück und stieß das Ei wie zufällig aus dem Nest.
Ben sprang an Ashleys Seite. »Ich habe es gefühlt«, sagte er, »als hätte mich ein Baby getreten.«
»Was gefühlt?«, fragte Ashley.
Ben schüttelte wieder nur den Kopf.
Ashley sah zu, wie Mo’amba die Hände erneut auf das Ei legte, diesmal noch zärtlicher. Seine Hände zitterten nicht nur vom Alter. Wieder sah er Jus’siri an, die jetzt einen besorgten Gesichtsausdruck machte. Mit Tränen in den Augen sprach er zu ihr.
Die Menge brach in Jubelrufe aus, Stäbe wurden enthusiastisch auf den Boden gestampft.
Ashley schaute Harry ungeduldig an und wartete auf seine Übersetzung.
Wieder antwortete Ben: »Das Kind ist ein Heri’huti. Es besitzt die Fähigkeit, mit dem Geist zu sehen und zu sprechen.« Mit Staunen in der Stimme sagte er zu Ashley: »Ich habe wirklich gefühlt, wie es sich bewegt hat.«
Mo’amba stand auf, von Freude so überwältigt, dass er keine Krücke brauchte. Er stampfte mit dem Stab auf, um die Menge zur Ruhe zu bringen. Als der Aufruhr sich bis auf ein Murmeln gelegt hatte, erhob er die Stimme und betonte seine Botschaft zweimal mit seinem Stab.
»Ich nenne dieses Kind Tu’shama«, übersetzte Harry. »›Der in unsere Zukunft sehen kann‹.«
Die Menge brach wieder in Jubeln aus, und jeder hatte den Namen Tu’shama auf den Lippen.
»Na ja«, sagte Ben, »wenigstens sind sie guter Laune, wenn sie über unser Schicksal richten.«
Ashley nickte. »Hoffentlich verschieben sie die Entscheidung nicht. Ich möchte keinen weiteren Tag verlieren.«
Als ob der vernarbte Tru’gula sie verstanden hätte, stampfte er mit seinem Stab auf und schlug vor, die Entscheidung über Bens und Ashleys Schicksal zu verschieben. Daraufhin nickten viele, sogar Bo’rada.
Dann stampfte der spindeldürre Sin’jari mit seinem Stab auf und bat um das Wort. Harrys Übersetzung ließ sie erschauern. »Sicherlich ist eine Zeit der Freude angebrochen, doch wir dürfen nicht vergessen, dass es außer der Freude ebenso Kummer gibt. Wie viele Witwen weinen in diesem Augenblick?«
Seine Worte ernüchterten das Publikum.
»Dort stehen Dämonen, die uns vernichten wollen.« Er richtete einen langen, knotigen Finger auf sie. »Seitdem sie hier angekommen sind und unsere Welt entweiht haben, hat unser Volk angefangen zu sterben. Wir haben versucht, mit ihnen Freundschaft zu schließen«, fuhr er fort und deutete auf Harry, »doch noch immer sterben wir. Ich halte es für keinen Zufall, dass zu dem Zeitpunkt, wo wir
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