Succubus Blues - Komm ihr nicht zu nah
noch in unsere Gegenwart hineinmengen müssen. Ich schaue lieber nach vorn, nicht zurück.«
Ich musterte ihn neugierig. »Plagt dich deine Vergangenheit?«
»Allerdings, ziemlich. Ich kämpfe jeden Tag darum, mich nicht von der Vergangenheit überwältigen zu lassen. Manchmal gewinne ich, manchmal sie.«
Nur Gott wusste, dass es bei mir ebenso war. Es war seltsam, mit jemandem darüber zu sprechen, mit jemandem, dem es ähnlich ging. Ich überlegte, wie viele Menschen in der Welt mit unsichtbarem Gepäck herumliefen, das sie vor anderen verbargen. Selbst als ich besagtes Gepäck eingepackt hatte, hatte ich es stets verborgen gehalten. Mich verlangte es dringend danach, ein oberflächliches Erscheinungsbild beizubehalten – daher das so genannte „glückliche Gesicht“. Ich hatte in den schlimmsten Zeiten gelächelt und genickt, und wenn diese oberflächliche Reaktion nicht ausgereicht hatte, so war ich letztlich davongelaufen – sogar auf Kosten meiner Seele.
Ich lächelte leicht. »Dann na gut. Ich bin froh, dass du und ich an der Gegenwart haften.«
Er zwickte mich in die Nase. »Ich auch. Tatsächlich sieht meine Gegenwart gerade im Augenblick verdammt rosig aus. Vielleicht auch meine Zukunft, wenn ich deine Entschlossenheit weiterhin unterwandere.«
»Übertreib’s nicht!«
»Oh, nun komm schon. Gib’s zu! Du findest meine Empörung über die gegenwärtigen Machthaber liebenswert. Vielleicht sogar erotisch.«
»Ich glaube, „unterhaltsam“ wäre das bessere Wort. Wenn du Empörung suchst, solltest du deine Zeit mit Doug verbringen, meinem Kollegen. Ihr beide habt ziemlich viel gemeinsam. Tagsüber räumt er auf und spielt den respektablen stellvertretenden Geschäftsführer, nachts ist er der Leadsänger dieser abgedrehten Band und verleiht seiner Unzufriedenheit über die Gesellschaft musikalisch Ausdruck.«
In Romans Augen flackerte das Interesse. »Spielt er hier irgendwo in der Gegend?«
»Ju. Er tritt diesen Samstag in der Old Greenlake Brewery auf. Ich und ein paar vom Personal gehen hin.«
»Oh, ja? Wann treffen wir uns?«
»Ich erinnere mich nicht daran, dich eingeladen zu haben.«
»Nein? Also, ich hätte schwören können, dass du gerade einen Tag und einen Ort genannt hast. Hörte sich für mich wie eine indirekte Einladung an. Weißt du, so was in der Art von: Ich müsste sagen „was dagegen, wenn ich mitkäme“, und dann sagst du: „Ja, kein Problem“, und so weiter. Ich habe nur ein paar Schritte übersprungen.«
»Sehr effizient von dir«, bemerkte ich.
»Also … was dagegen, wenn ich mitkäme?«
Ich stöhnte. »Roman, wir können nicht weiter miteinander ausgehen. Zuerst war es ja süß, aber es sollte nur ein einziges Rendezvous sein. Darüber sind wir schon hinaus. Die Leute auf meiner Arbeit halten dich schon für meinen Geliebten.« Casey und Beth hatten mich kürzlich davon in Kenntnis gesetzt, was für einen „scharfen Knaben“ ich hätte.
»Wirklich?« Er wirkte sehr glücklich darüber.
»Ich mache keine Witze. Ich meine es so, wenn ich sage, dass ich zurzeit keine ernsthafte Beziehung zu jemandem eingehen will.«
Und trotzdem meinte ich es auch wieder nicht. Nicht im Herzen. Ich hatte Jahrhunderte damit verbracht, mich von jeder bedeutsamen Beziehung zu anderen Personen fernzuhalten, und das schmerzte. Selbst als ich bewusst in meinen ruhmreichen Tagen als Sukkubus Beziehungen zu netten Burschen unterhalten hatte, hatte ich sie sofort nach dem Sex fallen lassen und war verschwunden. Ich wich dem Schuldgefühl aus, einem netten Mann die Lebensenergie gestohlen zu haben, aber ich hatte auch nie eine echte Kameradschaft erfahren. Hatte niemanden gehabt, der sich nur um mich gesorgt hätte. Natürlich hatte ich Freunde, aber die führten ihr eigenes Leben, und diejenigen, die zu nahe kamen – wie Doug –, musste ich um ihrer selbst willen wegschieben.
»Glaubst du nicht an zwanglose Rendezvous? Oder an freundschaftliche Beziehungen zwischen Männern und Frauen?«
»Nein«, gab ich entschlossen zur Antwort. »Glaube ich nicht.«
»Was ist mit den anderen Männern in deinem Leben? Diesem Doug? Dem Tanzlehrer? Selbst diesem Schriftsteller? Du bist mit ihnen befreundet, stimmt’s?«
»Na ja, aber das ist was anderes. Ich bin von ihnen nicht angezogen …«
Ich biss mir auf die Lippen, aber es war zu spät. Auf Romans Gesicht erblühten Hoffnung und Freude. Er beugte sich zu mir hinüber und berührte mich mit der Hand an der Wange.
Ich schluckte,
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