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Meteorologen von Vervarslinga für mehrere Tage vorhergesagt hatten. »Ja, ja«, seufzte der Wachhabende leise vor sich hin. Wenn es zu einem Schneesturm kam, dann würde es auch viel Betrieb im Funkverkehr geben. Kutter und Netzfischer legten nur ungern am Kai an, warteten, bis ihnen keine andere Wahl mehr blieb. Und manchmal warteten sie zu lange.
Aber noch war das Wetter ruhig. Kalt und klarer Mondschein. Die Sterne bedeckten den Himmel bis zum Horizont mit ihren Lichtpunkten. Er holte sich einen Kaffee und drehte den Ton des Funksenders lauter. Es war meistens ganz nett, in die Kanäle reinzuhören, die für die Unterhaltung zwischen den Schiffen benutzt wurden. Aber über ihren Fang redeten sie nie. Und auch nicht darüber, wo sie sich genau befanden. Wenn ein Trawler ein gutes Fanggebiet gefunden hatte, dann wollte die Mannschaft diesen Glückstreffer in der Regel möglichst lange für sich behalten.
Die »Stålbas« von der Küstenwache war auf dem Weg von Bjørnøya Richtung Norden. Aber sie hatten neue Order bekommen und sollten jetzt einen Umweg östlich um Hopen herum machen, wo drei spanische Kutter lagen, die Dorsch in Netzen mit zu kleinen Maschen fischten, wie behauptet wurde. Zwei Russen und ein norwegischer Trawler lagen nordwestlich von Spitzbergen, und drei norwegische Fischerboote hatten die Nordwestecke umrundet und lagen vor der Mündung von Hinlopen. Er drehte den Empfänger noch lauter. Es hörte sich so an, als planten sie, durch die Enge Richtung Süden zu fahren. Waren sie vollkommen verrückt geworden? Diese Route war der reine Selbstmord bei den Wettermeldungen, die gerade herausgegangen waren. Der Wachhabende biss sich unschlüssig auf einen Fingernagel. Sollte er die Regierungsbevollmächtigte anrufen? Oder hieße das, sich in Dinge einzumischen, die streng genommen nicht zu den Pflichten eines Küstenfunkwachhabenden gehörten?
Der älteste Name der Hinlopenstraße war Vaigat, wie aus einer Karte hervorging, die so alt war, dass es schwer zu erkennen war, dass es sich bei der abgebildeten Inselgruppe um Spitzbergen handelte. Sprachforscher und Historiker hatten sich den Kopf darüber zerbrochen, woher dieser Name kam, noch dazu, da die Schreibweise auffällig wechselte. Weyhegats, Way gat, Waaigat, Vaigat … Man nahm an, dass der Name auf Niederländisch »das Tor, aus dem der Wind kommt« hieß, eine treffende Bezeichnung der südlichen Mündung der Durchfahrt. Vaigat konnte aber ursprünglich auch ein russischer Nachname gewesen sein. Jedenfalls stand dieser Name auf der Mercator-Karte von 1569. Aber nicht viel später tauchten die ersten Seekarten mit dem Namen De Straet van Hinloopen auf, wenn auch falsch platziert, nämlich westlich vom Wijdefjord. Die Passage wurde damals nach Thymen Jacobsz Hinlopen benannt, dem Direktor der Noordsche Compagnie, 1617.
Eines war sicher, die Durchfahrt hatte auf die frühen Entdeckungsreisenden und Kartographen Eindruck gemacht. Bereits von Beginn an waren die Fahrwasser um Nordaustland herum wegen der kräftigen Tidewasserströmungen gefürchtet, nicht zuletzt auch wegen des Packeises, das sich hin und wieder mit mörderischer Geschwindigkeit durch die Enge bewegen konnte, genau in entgegengesetzter Richtung wie der Wind. Und auch heute, viele hundert Jahre später, war die Hinlopenstraße nur schlecht kartographiert, mit heimtückischen Sandbänken und Riffen, die sich jedes Mal, nachdem sie entdeckt und eingetragen worden waren, wieder verschoben zu haben schienen.
Die Ruhe im Kontrollraum oben im Tower wurde plötzlich von einem Anruf per Funk unterbrochen, und der Chef vom Dienst wachte abrupt aus einem angenehmen, aber vollkommen unrealistischen Tagtraum auf. Er räusperte sich einige Male, bevor er zum Mikrophon griff: »Ja, hier ist Radio Spitzbergen. Wer da?«
»Jetzt pass mal auf. Krieg ich nun mein Gespräch oder nicht?«
»Äh, ja. Und wen soll ich vermitteln?«
»Na, die ›Ishavstrål‹, habe ich doch gesagt. Und nicht nur einmal. Was treibt ihr eigentlich da unten in Longya-ar. Habt ihr so schrecklich viel zu tun, dass ihr uns Fischern nicht mal mehr antwortet? Hä?« Die Stimme war eindeutig weiblich, mit breitem Dialekt, aber auch einem etwas fremden Klang, der nicht so leicht einzuordnen war. Aber der Wachhabende wusste genau, wen er da vor sich hatte, die wütende Ehefrau des Skippers der »Ishavstrål«.
»In Ordnung, ›Ishavstrål‹. Und welche Telefonnummer hätte die gnädige Frau gern?«
»Den Krestjan. Den
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