Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Südbalkon

Südbalkon

Titel: Südbalkon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Straub
Vom Netzwerk:
er.
    »Nicht so richtig«, sage ich und traue mich nicht, ihm in die Augen zu sehen.
    »Wir unterstützen die Initiative aktiver junger Frauen«, sagt Herr Othmar ein drittes Mal und meint damit offensichtlich mich. In der Selbständigkeit könne ich mich ausleben, sagt er und breitet die Arme aus.
    »Aha«, sage ich. Ich wüsste nicht, dass in mir etwas verborgen ist, das hinauswollte.
    »Der Markt wartet auf Sie«, ruft er aus. »Die Welt steht Ihnen offen! Und wir geben Ihnen Rückhalt. Für Fälle wie Sie wurde unser Unternehmensgründungs-Programm entwickelt.«
    Das ist kein Vorschlag, das ist ein Ultimatum.
    »Ich glaube nicht, dass der Markt auf mich wartet«, sage ich.
    Herr Othmar überreicht mir eine Broschüre. Hochglanz, 270 Seiten. Hurra, ich gründe! Eine Frau im kleinen Schwarzen wirft jubilierend die Arme in die Luft, ihre Haare tanzen, alles an ihr ist Freude.
    »Da finden Sie jede Menge Tipps und Ideen«, sagt er und klopft auf die Titelseite. »Sie können selbständige Beraterin für Silikonhaushaltswaren werden, ein spannender Job mit Zukunft! Oder selbständige Versicherungsmaklerin. Oder selbständige Beraterin für ein berühmtes Schweizer Reinigungssystem.«
    »NUBA«, sage ich.
    »Genau«, sagt er. »NUBA.«

9
    Das Bad ist die Königsdisziplin jeder Putzamateurin. Die stumpfen Armaturen werden mit Gallseife eingeschäumt, die Fliesenfugen leuchten nach einer Bimssteinbehandlung wieder wie neu. Um verkalkte Badfliesen sauber zu bekommen, mische man Buttermilch mit Essig und Salz. Der Brei wird aufgetragen und wirkt ein paar Minuten ein. Die Handtücher lege man sorgfältig zusammen, Kante auf Kante, bis sie aussehen wie Hotelhandtücher. Fehlt nur der Aufkleber, der den Gast daran erinnert, die Handtücher auf den Boden zu werfen, wenn man frische wünscht. Raoul jedenfalls scheint unsere Wohnung mit einem Hotel zu verwechseln. Er wirft die Handtücher grundsätzlich auf den Boden.
    Als es klingelt, bin ich gerade dabei, störrische Fliesenfugen mit einer alten Zahnbürste zu bearbeiten. Ich erwarte niemanden. Ich erwarte grundsätzlich nie jemanden, denn ich führe kein offenes Haus. Bei mir ist die Tür immer geschlossen.
    Ein zögerliches Klingeln, das passt nicht zu Eberwein. Ich lege das Putztuch ins Waschbecken. Auf eine böse Überraschung habe ich keine Lust, deshalb luge ich durch den Spion. Eine Frau steht vor der Tür, und sie sieht Maja erstaunlich ähnlich. Zerzauster Bob, als sei sie durch den Sturm gelaufen. Jeans, adrettes Jäckchen.
    Ich öffne die Tür einen Spalt. Tatsächlich, es ist Maja.
    Ich küsse sie auf die Wange und ziehe sie in die Wohnung. Ich benötige einige Augenblicke, um mir ihres Widerstandesbewusst zu werden. Ihre Schultern sind steif, ihr Lächeln wirkt gekünstelt. Sie hat einen dunkelroten Lippenstift aufgelegt, ihr Mund leuchtet wie eine Wunde.
    »Ist Raoul nicht da?«, fragt sie.
    Aus ihrem Mund klingt der Name fremd und exotisch. Ich kenne keinen Raoul, will ich sagen.
    »Wir haben einen Termin«, sagt sie, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, sich mit meinem Freund zu verabreden.
    »Davon weiß ich nichts«, sage ich.
    »Vierzehn Uhr«, sagt Maja. »Wir hatten den Termin für vierzehn Uhr vereinbart.«
    Ich sehe auf meine Armbanduhr. Es ist zwei.
    »Tatsächlich?«, sage ich. »Raoul ist aber nicht da.«
    »Ah«, sagt Maja.
    Ich forsche in ihrem Gesicht nach Anzeichen von Enttäuschung.
    »Komm doch herein«, sage ich. »Wir trinken ein Glas, während wir auf ihn warten.«
    Maja setzt sich mit steifem Rücken an den Rand des Sofas, die Knie fest aneinandergepresst; wie jemand, der das erste Mal in dieser Wohnung zu Besuch ist.
    »Er kommt sicher gleich«, sage ich.
    Sie nickt. Alles an ihr wirkt verspannt. Eine Aura der Unnahbarkeit.
    »Kaffee?«
    »Danke, nein«, sagt sie. »Mein Herz.« Sie greift sich an die Brust.
    »Was ist damit?«
    »Ich muss aufpassen«, sagt sie. Mädchenhaftes Kichern. »Der Stress, weißt du.«
    »Nein«, sage ich. »Weiß ich nicht.«
    »Der neue Job, die vielen Termine.« Sie wedelt mit der Hand, als wolle sie ihre Worte verscheuchen. »Ich bin viel unterwegs. Das ist wahnsinnig anstrengend.«
    »Ich mach uns einen Aperol«, sage ich.
    »Um Himmels willen, keinen Alkohol während der Arbeitszeit!«
    »Wasser?«
    »Leitungswasser bitte«, sagt sie. »Mineralwasser tut meinem Magen nicht gut.« Sie legt ihre Hand auf den Bauch. Seit sie arbeitet, leidet sie offenbar ohne Unterlass an

Weitere Kostenlose Bücher