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Südbalkon

Südbalkon

Titel: Südbalkon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Straub
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im Kreise ihrer Familie friedlich entschlafen war:
    ich [node.balance = ‚/; ))
    liebe (node.true)
    dich (‚_‚)
    Einen Monat später verabredeten wir uns mit dem Makler vor dem Hochhaus in der Przewalskistraße, und Raoul hielt meine Hand so fest, dass sie noch am nächsten Tag schmerzte.Simone fegt mit der Hand Weißbrotkrümel vom Tisch. Die Sonne malt Kringel auf die Tischplatte. Es riecht nach Babypuder.
    »Wann hast du gemerkt, dass es nicht mehr geht – mit dir und Werner?«, frage ich.
    Sie setzt sich auf den Stuhl gegenüber, zieht die Beine an und legt den Kopf auf ihre Knie.
    »Bei Fannys Geburt«, sagt sie. »So traurig das klingt. Als dieses vollkommene Kind auf meinem Bauch lag und Werner an das Bett trat, sah ich von ihr zu ihm und dann wieder von ihm zu ihr, und plötzlich war Werner nur noch ein Stückwerk aus Fehlern, Nachlässigkeiten und Versäumnissen. Ein Mensch, wie er unvollkommener nicht sein konnte. Glaube nicht, dass ich maßlos geworden bin in meinen Ansprüchen, Ruth, aber Fanny zeigte mir, was ich unbewusst schon lange fühlte und nur nicht zulassen konnte. Dass er nicht der Mann war, der mir zugedacht war.«
    Zugedacht? Ich lache.
    »Bestimmung«, sagt Simone. »Glaubst du nicht daran?«
    Darüber hatte ich noch nicht nachgedacht.
    »Ich will«, sagt Simone, »dass es einen Plan gibt. Für mein Leben. Für Fannys Leben. Nur, weil wir ihn nicht durchschauen, heißt es ja nicht, dass es ihn nicht gibt. Im Gegenteil. Vielleicht konzentrieren wir uns auf die falschen Details. Wir suchen Geheimnisse, wir wühlen in Verstecken, aber vielleicht liegt alles direkt vor uns und braucht nicht gesucht zu werden. Es ist doch sinnlos, sich ständig gegen das Schicksal aufzulehnen. Sich immerzu zu wehren.«
    »Und du?«, sage ich. »Hast du dich nicht auch gewehrt?«
    »Das ist etwas anderes«, sagt sie schnell. »Ich habe meinenGefühlen nicht getraut und bin viel zu lange bei ihm geblieben. Gegen das Gefühl bei Fannys Geburt habe ich mich nicht mehr gewehrt. Endlich hatte ich verstanden. Mit dem Kind wird das Schicksal geboren, nicht nur das des Kindes, sondern auch dein eigenes wird neu geboren.«
    Ich nicke und schweige. Zum Thema Geburt kann ich nicht viel beitragen. Ich lege die Hand auf den Bauch unterhalb des Nabels, dorthin, wo die Kinder wachsen. Nur bei mir wächst nichts, der Bauch ist leer und schmerzt, und Simone fragt: »Hast du Hunger? Ich mache uns ein paar Brote.«
    Sofort steht sie auf und öffnet den Kühlschrank und stellt französischen Käse und Parmaschinken auf den Tisch, Gurken, eingelegte Artischocken und süße weiße Zwiebeln. Schnell füllt sich der Tisch mit Köstlichkeiten, und ich esse, als hätte ich zwei Wochen nichts mehr zu mir genommen, so lange, bis das Feuer im Bauch verglimmt.

18
    Lange habe ich nicht überlegt, ich wähle die Nummer des Krankenhauses, und als sich die Stimme am Empfang meldet, eine freundliche junge Stimme, sage ich: »Ich möchte bitte einen Pfleger sprechen, er heißt Pawel und arbeitet in der Internen.«
    »Ich verbinde, bitte bleiben Sie in der Leitung«, flötet die freundliche Stimme und dann knackst es, und schon höre ich ein Atmen wie von weit her, und ein Mann sagt: »Hallo?«
    Da verlässt mich der Mut, und was kürzlich noch wie eine rettende Idee klang, erscheint mir plötzlich absurd und bösartig. Ich hatte mir vorgestellt, Pawel zu meinem Verbündeten zu machen. Er würde für mich beobachten, wer in Raouls Krankenzimmer ein und aus ginge und mir davon berichten. Dann wäre ich meinen Zweifel los, so oder so. Gleichzeitig ist es ein sinnloses Unterfangen. Wie die Untersuchung des eigenen genetischen Materials: Wenn du herausfindest, dass du an einer Krankheit sterben wirst, für die es keinerlei Behandlung gibt, richtet die Erkenntnis nur Schaden an. Ebenso wenig nützt es mir, einen Beweis für Raouls Untreue in Händen zu halten, denn was hätte ich dann in der Hand, wenn nicht mein eigenes Unglück? Vielleicht sollte ich mich früh an den Gedanken gewöhnen, mich allein in der Przewalskistraßenwohnung einzurichten. Doch wenn Raouls Schreibtisch nicht mehr da wäre, keine Papierstapel mehr, bedruckt mit Computer-Hieroglyphen, wenn die Wohnung nur noch Spiegel von mirselbst ist, immer dieselbe Replik auf dieselbe Frage, werde ich dann überhaupt noch dort leben können?
    »Ja? Wer ist da?«, fragt Pawel ungeduldig, und da fällt mir ein, dass ich es war, die angerufen hat, und sage schnell: »Pawel, ich möchte Sie

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