Sünden der Nacht
strich mit seinen Lippen über ihren Hals. »Was als Mann und Frau zwischen uns passiert, hat nichts damit zu tun. Es ist ein beschissener Abend, ein beschissener Fall, ein beschissenes Motel – warum können wir nichts wenigstens das haben? Hmm? Uns gegenseitig ein bißchen Freude machen?« Seine Hände legten sich auf ihren Bauch, die Fingerspitzen massierten ihn raffiniert, weckten das Feuer in ihr.
»Geh einfach«, sagte Megan. Sie wollte seine Zärtlichkeit nicht. Gegen alles andere hätte sie sich wehren können, aber gegen Zärtlichkeit war sie machtlos. Gott steh ihr bei, sie schaffte es nicht, sich gegen etwas zu sträuben, wonach sie sich ihr ganzes Leben gesehnt hatte.
»Geh.« Sie holte zitternd Luft.
»Nein.« Seine Zungenspitze tastete sich hinter ihr Ohr.
Sie trat nun die Flucht nach vorne an. »Geh!« schrie sie. »Raus!«
»Nein. Er zog sie so eng an sich, daß sie ihm nicht weh tun und auch nicht entfliehen konnte. »Nicht jetzt. Nicht so.«
»Verdammter Schuft«, murmelte sie in seine Brust, ihre Stimme überschlug sich, und die Tränen kämpften gegen ihren Widerstand, die Not drohte sie zu ersticken. Sie strampelte, trat nach ihm, aber nur halbherzig.
Er stupste ihr Kinn nach oben, so daß ihr keine andere Wahl blieb, als ihn anzusehen. »Schau mir in die Augen, und sag mir, daß du das
nicht willst«, sagte er, sein Atem wurde schneller, Verlangen strömte heiß und schwer in seinen Unterleib.
Megan sah ihn wütend an, haßte ihren Körper, weil die Berührung mit seinem die Hitze übertrug. »Ich will das nicht«, sagte sie trotzig.
Seine Nasenflügel blähten sich. Bernsteinfarbenes Feuer ließ seine Augen aufblitzen. »Lügnerin«, sagte er, aber er ließ sie los.
Megan blieb lange, nachdem die Tür zu gefallen war, am Fußende des Betts stehen. Natürlich stimmte seine Feststellung, aber das war kein Trost.
TAG 5 12 Uhr 11, – 9 Grad
»Mick sagt, er wird dieses Jahr hunderttausend verdienen.«
»Schön für Mick.« Und hast du deinen liebevollen Sohn gefragt, warum er dir nie auch nur zehn Cent davon schickt, obwohl er weiß, daß du zweimal die Woche Wiener mit Bohnen ißt, weil deine Rente nicht zu mehr reicht und deine Tochter – die die Hälfte deiner Unkosten zahlt – nur ein Cop ist, und im Vergleich zu einem Vermögensanlageberater in L. A. ein Almosen verdient?
Megan stellte die Frage nicht. So dumm war sie nicht. Sie hatten dieses Szenario schon mehr als einmal durchgespielt. Das milderte ihren Haß nicht und trieb nur Neils Blutdruck in die Höhe. Trotzdem erstaunte es sie immer wieder, daß das Kind, an dem ihr Vater immer noch hing und von dem er ständig prahlte, keinen Deut Interesse an ihm zeigte, während sie, die ungewollte Erinnerung an die treulose Maureen, das Kind, das, wenn es nach Neil O’Malley gegangen wäre, genausogut in irgendeiner Gasse hätte aufwachsen können, ihm die Stange hielt, gekettet an lieblose, ja hassenswerte Erinnerungen.
In der Hoffnung, daß ihr das vielleicht helfen würde, die Vergangenheit loszuwerden, sah sie sich in der winzigen Küche mit den knallig türkisen Wänden und dem karierten Vorhang um, der steif vor Alter und Fett war. Sie verabscheute diesen Raum mit seinen billigen weißen Blechschränken und dem alten, schäbigen Spülstein. Sie haßte den Geruch von Talg und Zigaretten, das graue Linoleum, den Tisch und die Stühle mit den Chrombeinen, wo ihr Vater saß, eine heruntergekommene
Häuslichkeit ohne Leben und Wärme – irgendwie ähnelte sie in mancher Hinsicht ihrem Vater.
Auf den ersten Blick war Neil O’Malley keineswegs häßlich. Er hatte ein scharfes, kantiges Gesicht – war einmal recht attraktiv gewesen -, und seine Augen strahlten in tiefem Blau. Aber Zeit und Verbitterung hatten ihren Glanz gestohlen, genauso wie die Farbe aus seinen Haaren und die Kraft aus seinem Körper. Der Mann, den sie als beachtliches Muskelpaket in blauer Polizeiuniform in Erinnerung hatte, war geschrumpft und schlaff geworden. Seine rechte Hand zitterte, als er sein Glas zum Mund hob.
Megan rührte den reichhaltigen Eintopf auf dem Gasherd um, Lamm mit Gemüse. Das kochte sie immer, wenn sie ihn sonntags besuchte – nicht weil sie das gerne mochte, sondern weil Neil über alles andere nörgeln würde. Gott bewahre, niemals hatte sie ihn ärgern wollen, niemals! Aber recht konnte sie ihm auch nichts machen, dem alten Griesgram.
»Hast du in letzter Zeit mit Mick geredet?« fragte sie. Natürlich nicht. Mick ruft dich
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