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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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ungesunde Farbe. Er schüttelte drohend die Gabel und schleuderte dabei kleine Tropfen Sauce auf den Tisch. »Paß bloß auf dein freches Maul auf, Mädel. Du bist genau …«
    Sie unterbrach ihn mit einer heftigen Handbewegung. »Wag es ja nicht! Wag es ja nicht! Niemals bin ich wie sie. Sie war so vernünftig, dich vor sechsundzwanzig Jahren zu verlassen!«
    Ihr Vater kniff seinen Mund zusammen und starrte auf seinen Teller. Megans Augen brannten vor Tränen. Sie schob ihren Stuhl zurück, eilte zum Fenster und starrte hinaus, auf Mrs. Gristmans Hinterhof, wo ihr uralter Pudel Claude den Schnee mit kleinen Scheißhaufen übersät hatte. Das Viertel war schäbig und armselig, wie dieses Haus. Sie wünschte, sie brächte es fertig, nicht mehr zu kommen, aber es gelang ihr nicht. Weil er ihr Vater war, ihre Verantwortung. Sie würde ihre Pflichten nicht vernachlässigen, so wie er es bei ihr getan hatte. Ungebeten, ungewollt tauchte Mitchs Bild vor ihrem inneren Auge auf. Mitch und Jessie, wie sie sich neckten und kitzelten bei einem Hamburger im McDonalds.
    Sie schniefte und wischte sich die Nase mit dem Handrücken ab. Dann zog sie wortlos ihren Mantel vom Haken an der Hintertür, gab Neil noch eine Chance, sich zu entschuldigen – er tat es nicht, würde es nie tun.
    »Vergiß nicht, deine Medizin zu nehmen«, erinnerte sie ihn unwirsch. »Ich komme wieder, sobald ich kann … auch wenn’s dir egal ist.«

Kapitel 20

TAG 6 7 Uhr, -28 Grad, Windabkühlungsfaktor: – 49 Grad
    Ein grimmiger Montagmorgen dämmerte herauf, eisige Arktisluft brachte Temperaturen von 28 Grad Minus. Ein heulender Wind aus Nordwest trieb den Abkühlungsfaktor auf brutale minus 49 Grad. Megans Laune sank proportional dazu ab. Sie lag in ihrem Bett im Sheraton, fürchtete sich vor ihrem Treffen mit DePalma und hörte, wie die Diskjockeys im Radio mit diebischer Freude den Bürgern der Twin Cities erzählten, daß ungeschützte Haut in weniger als sechzig Sekunden erfrieren könnte.
    Der Sonntag hatte sich als Fehlschlag auf der ganzen Linie herausgestellt. Vorläufige Tests von der Aufnahme des Anrufs waren wenig aufschlußreich verlaufen, das Notizbuch hatte keine brauchbaren Fingerabdrücke aufgewiesen. Ein Abendessen mit Jayne Millard, dem Agenten, der Profile von Verdächtigen erstellte, brachte ihr lediglich Mitgefühl für den desolaten Fall ein und vage Komplimente, daß sie die Hürde für Frauen im Außendienst gemeistert hatte.
    Sie lag im Bett, betrachtete sich im Spiegel über dem Toilettentisch, und dachte darüber nach, daß manche Leute sie als Heldin empfanden und andere als Unruhestifterin. Irgendwie tangierte sie das aber kaum, so als wäre die Megan O’Malley, die diese Leute sahen, nur ein Hologramm. Sie wollte weder ihr Champion noch ihr Dämon sein, sondern ihren Job machen und Josh finden.
    Verkatert von Müdigkeit und Muskelentspannungsmitteln schleppte sie sich aus dem Bett in die Dusche. Für ihr Treffen mit DePalma zog sie das an, was sie noch schnell vor der Abfahrt ins Auto geworfen hatte – eine enge, anthrazitfarbene Hose und einen weichen, schwarzen Rollkragenpullover, der ihre Blässe und die dunklen Ringe unter ihren Augen
betonte. Sie fand, sie sah aus wie ein Zombie oder ein Ostblockflüchtling, aber was Besseres konnte sie leider nicht bieten.
    Sie träumte von einem FBI-Auftrag in Tampa, während sie den Reißverschluß ihres Parkas zuzog, sich Ohrenschützer aufsetzte und ihren Schal um Kopf und Hals wand. Florida leuchtete wie eine Fata Morgana vor ihrem inneren Auge, die sich sofort in nichts auflöste, als sie vor die Tür trat und der Wind wie ein Ziegelstein gegen ihre Stirn prallte. Nicht weniger als ein Dutzend Autos auf dem Parkplatz standen mit offener Motorhaube da – die weiße Fahne des Nordens – und warteten, daß die Werkstattwagen auftauchten und die leeren Batterien überbrückten. Zwei Minuten später öffnete Megan die Haube des Lumina und stapfte zurück ins Hotel. Unterwegs murmelte sie ihr Mantra für kaltes Wetter: »Ich hasse Winter.«

9 Uhr, -28 Grad, Windabkühlungsfaktor: – 49 Grad
    DePalma lief hinter seinem Schreibtisch auf und ab, mit hochgezogenen Schultern und die Hände in die Hüften gestemmt. Er sah aus wie Nixon, der sich als Imitator von Ed Sullivan versucht.
    »Wir hatten noch nie so viele Anrufe von der Presse«, er wiegte bedenklich seinen Kopf.
    »Ich bin eine Kuriosität«, klärte Megan ihn auf. Sie stand ihm gegenüber auf der anderen Seite des

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