Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
war, sah es anders aus. Da bin ich keinem Streit ausgewichen.«
»Gibt es eine Möglichkeit, deinen Großvater zum Nachgeben zu bewegen?«
»Ich hoffe es. Aber es wird schwierig werden«, gestand Philip. Die Stille, die daraufhin folgte, war schier unerträglich. Lena schien es ebenso zu spüren. Sie atmete tief durch. »Und was jetzt? Bleibst du dabei, mir Alexandria zu zeigen?«
Erleichtert ergriff er ihre Hand. »Natürlich. Wir wollen uns doch nicht den gesamten Tag verderben lassen.« Er zwang sich zu einem versöhnlichen Lächeln.
»So hattest du es dir nicht vorgestellt, nicht wahr? Du kehrst heim, und alles liegt in Scherben.«
»Es lag schon in Scherben, als ich ging.« Er seufzte. »Nur hatte ich gehofft, dass die Scherben längst fortgeräumt wären.«
»Der Tod deines Vaters hat alles verändert.«
Er nickte. »Du hast gehört, was Großvater sagte. Mein Ruf ist dahin. Der Ruch des Vatermordes wird mir für immer anhaften.«
»Aber du selbst hast inzwischen erkannt, dass es ein Unfall war. Und das ist das Wichtigste.«
»So ist es«, bestätigte er. »Und weißt du, was seltsam ist?«
»Verrat es mir!«
»Nach seinem Tod war alles leer in mir. Das blieb auch so, bis ich dir erstmals mein Leid anvertraute. Aber auch unmittelbar danach wollte die Leere noch nicht weichen. Bis zu dem Tag, als ich mich dem Turnier stellte und Ulf von Regenstein aus dem Sattel stieß. An jenem Tag geschah etwas Wunderbares. Es war, als würde mich die Liebe meines Vaters umhüllen, so wie damals, als er noch lebte. Und ein Teil von ihm kehrte zu mir zurück. Ein Teil, den ich nie mehr loslassen werde.«
»Weil er dich immer geliebt hat und weiter über dir wacht«, bestätigte Lena. »Manchmal fühle ich dasselbe, wenn ich an meinen Vater denke. Eine seltsame Wärme, die meinen Leib und mein Herz erfüllt, und dann weiß ich, er ist bei mir.«
Er drückte sie an sich. »Du bist das Beste, was mir jemals widerfuhr«, flüsterte er ihr ins Ohr.
»So wie du das Beste für mich bist.« Sie strich ihm zärtlich über die Wange. »Wollen wir uns die Stadt ansehen, Philip?«
Er nickte.
Es gab vieles, was er Lena zeigen wollte. Schon auf Burg Birkenfeld hatte er sich immer wieder vorgestellt, wie es wohl wäre, mit ihr über den großen Basar zu schlendern, ihr die Körbe mit Früchten zu zeigen, die sie nicht kannte. Oder wie es wäre, mit ihr auf den großen Leuchtturm zu steigen und an ihrer Seite über seine Heimat zu blicken. Nun hatte sich der Wunsch erfüllt, und doch war es ganz anders, als er es sich ausgemalt hatte. Seine Gedanken schweiften zu dem Gespräch mit Heinrich und Guntram zurück. Immer wieder dachte er über den geheimnisvollen Abd al-Hisâb nach, von dem sie ihm erzählt hatten. Ob es sich lohnte, vor dem Basarbesuch einen Umweg durch die Straße der Laternen zu machen? Lena würde sich gewiss freuen, einen möglichst ausgedehnten Rundgang zu unternehmen, und über seine tatsächlichen Gründe, gerade diese Richtung einzuschlagen, würde er Stillschweigen bewahren. Sonst machte sie sich nur unnötige Sorgen.
Es gelang ihm vortrefflich, seine wahren Gefühle zu verbergen. Lena genoss es, an seiner Seite durch die Straßen Alexandrias zu schlendern. Es war ihr Einfall gewesen, die Stadt zu Fuß und nicht hoch zu Ross oder gar in einer Sänfte zu erkunden, und er war froh darüber. Auf diese Weise zogen sie kaum Blicke auf sich, und er hatte Zeit für seine Beobachtungen.
»Welch beeindruckende Ansammlung prächtiger Häuser!«, stellte Lena fest, als sie in die Straße der Laternen einbogen. »Wer lebt hier?«
»Die reichsten Bürger der Stadt, allesamt Muslime«, erwiderte er. »Ich erwähnte schon, dass mein Großvater nicht gerade arm ist, aber er zählt nicht zu den reichsten Männern.«
In der Straße der Laternen ging es ruhiger und gesitteter zu. Es waren weniger Menschen unterwegs, vorwiegend Boten oder Mägde, selten ein vornehmer Mann. Auch Bettler sah man in diesem Teil der Stadt kaum. Vermutlich wurden sie recht schnell vertrieben, ganz gleich, was über das Almosenspenden im Koran stand. Der Bibelspruch von dem Kamel und dem Nadelöhr schien auch für Muslime zu gelten.
Während Lenas Blicke neugierig zwischen Häusern und fremdländischen Menschen hin und her schweiften, betrachtete Philip das Haus von Abd al-Hisâb. War der Diener der Rechnung wirklich sein alter Widersacher Khalil? Konnte er Saids Säbelhieb überlebt haben? Damals hatte er geglaubt, Khalils Lunge sei
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