Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
Zu deutlich hatte sie erkannt, wie erfolgreich Thea sich selbst damit schützte.
»Warum wird das Mahl nicht aufgetragen?« Philip wurde ungeduldig.
»Wir erwarten noch Gäste«, antwortete sein Großvater. »Ritter Heinrich und seinen Sohn Guntram.«
Sophia verzog das Gesicht und erntete einen tadelnden Blick ihrer Mutter. Said schien in sich zusammenzusinken, und Philip ballte die Hände unwillkürlich zu Fäusten.
»Gibt es Schwierigkeiten?«, raunte Lena ihrem Gatten zu.
»Ich hoffe nicht«, flüsterte er zurück.
Gerade wollte sie fragen, ob etwas vorgefallen sei, als die Tür zum Speisesaal geöffnet wurde und die beiden Gäste eintraten. Lena kannte Heinrich und Guntram bislang nur aus Erzählungen. Sie wusste, dass Heinrich deutscher Abstammung war und ebenso wie Philips Vater eine christliche Ägypterin zum Weib genommen hatte. Ritter Heinrich war um die fünfzig, aber er strahlte noch immer viel Kraft aus. Nur die grauen Strähnen in seinem Haupthaar verrieten sein wahres Alter. Sein Sohn Guntram hatte pechschwarzes Haar, und seine Hautfarbe erinnerte an Philip – sie war etwas dunkler als die der blonden Europäer, aber heller als die der Einheimischen. Seine Augen waren beinahe schwarz, und in ihnen leuchtete eine helle Seelenflamme. Lena war auf der Stelle von beiden Männern eingenommen, und sie verstand, warum Philips Großvater sich eine Verbindung zwischen Guntram und Sophia wünschte. Guntram würde sich gewiss als aufrechter Ehemann und zuverlässiger Gefährte erweisen. Zudem gäbe es keinerlei Schwierigkeiten mit dem Glauben. Aber was nutzten diese Erwägungen, wenn Sophias Herz längst einem anderen gehörte?
Lena dachte an Martin, ihren ersten Bräutigam. Sie hatte geglaubt, ihn zu lieben. Doch erst nachdem sie Philip kennengelernt hatte, begriff sie, dass sie damals kaum mehr als eine mädchenhafte Schwärmerei für Martin empfunden hatte. Keine Liebe, allenfalls Zuneigung. Und doch hätte es für eine Ehe gereicht, denn damals war ihr Herz noch frei.
»Bitte, entschuldigt unsere Verspätung!« Ritter Heinrich neigte artig das Haupt. »Wir wurden aufgehalten. Eine seltsame Geschichte.« Er zog sich einen Stuhl heran und nahm am Tisch Platz. Sein Sohn tat es ihm gleich.
»Eine seltsame Geschichte?« Mikhail musterte Heinrich aufmerksam und gab zugleich den Mägden mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie das Mahl auftragen sollten.
»O ja«, bestätigte Heinrich. »Heute Vormittag erschien ein Bote des Emirs mit einem amtlichen Dokument auf unserem Gut. Es hieß, die Abgaben seien erhöht worden. Wir waren empört, denn das widersprach allen Vereinbarungen. Ich war schon drauf und dran, mich beim Emir selbst zu beschweren, als ein weiterer Bote erschien und uns in blumenreichen Worten mitteilte, dass es sich um einen bedauerlichen Irrtum gehandelt habe.«
»So war es wohl«, meinte Mikhail. »Bei uns wurde kein Bote vorstellig.«
»Aber merkwürdig ist es. Bislang sind wir mit dem Emir gut ausgekommen.«
»Ich wollte mich ohnehin um eine Audienz bei ihm bemühen«, erklärte Mikhail. »Wegen der Übergriffe in den letzten Monaten. Wie wäre es, wenn du dich anschließt?«
Die Mägde kehrten zurück und trugen das Mahl auf. Es gab Reis und gebratene Täubchen, dazu gefüllte Teigtaschen und allerlei Salate.
»Ihr wisst noch immer zu leben.« Heinrich griff beherzt zu.
»Willst du damit sagen, dass es bei euch bescheidener zugeht?«, entgegnete Philip mit einem Augenzwinkern.
»Nun, man merkt, dass Jasmin seit drei Jahren nicht mehr unter uns weilt.« Der alte Ritter senkte den Blick.
»Warum heiratest du nicht wieder?« Mikhail griff nach der Reisschüssel. »Es gäbe genügend Frauen, die liebend gern die neue Herrin deines Hauses würden.«
Heinrich schüttelte den Kopf. »Mir steht nicht der Sinn danach, mich erneut zu binden. Zumal es bald eine neue Herrin des Hauses geben wird, nicht wahr?« Er wandte den Kopf in Sophias Richtung. »Wir müssen an die junge Generation denken.«
Sophia wich Heinrichs Blick aus und sah flehentlich zu Said hinüber. Der Araber hob den Kopf und betrachtete Guntram, der bislang geschwiegen hatte und gerade nach der Soße langte, die am anderen Ende des Tisches stand. Said war schneller. Für einen Moment sah es aus, als wolle er Guntram fürsorglich die Schüssel reichen, doch dann rutschte sie ihm aus der Hand. Guntram schrie auf, denn die heiße Soße ergoss sich über seine Beinkleider.
»Oh, das tut mir aufrichtig leid!« Said
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