Sündenjagd: Deadly Sins 1 - Roman (German Edition)
einzufangen.«
»So hat es auch Franz Lieber in seinen Aufzeichnungen formuliert, aber was können wir tun?«
»Ich weiß zwar nicht, wie wir sie zurückschicken können, aber ich glaube, ich weiß, wie wir sie einfangen können.« Pater Philip zog ein kleines Tagebuch aus seiner Brusttasche, das einige Flecken aufwies und sehr alt war.
Anthony erkannte das zerfledderte Buch. Es war Das Tagebuch des Unbekannten Märtyrers. Bei den Flecken handelte es sich um Blut. Das Buch war jahrhundertealt und in Aramäisch verfasst, der Sprache von Jesus, die aber im dreizehnten Jahrhundert, als der Unbekannte Märtyrer es schrieb, fast nicht mehr verwendet wurde. Die Tatsache, dass das Buch fast tausend Jahre überlebt hatte, bewies dessen Bedeutung. Dass Pater Philip es aus der Schatzkammer von St. Michael entwendet hatte, verstieß gegen alles, woran sie glaubten.
Der Pater schlug es vorsichtig und ehrfurchtsvoll auf einer der hinteren Seiten auf und übersetzte, während er vorlas:
»Oh Herr, Dein Dir ergebener Diener bittet Dich, das Leiden zu beenden. Ich habe das Wahre Wesen der sieben Sünden mit meinen eigenen Augen gesehen und sorge mich um die Menschheit. Sie
kommen, um mich zu holen. Ich bitte Dich um Erlösung. Als wir die letzte Sünde gefangen nahmen, durchbrachen sie die Fallen, die wir ihnen gestellt hatten. Jetzt beten und verstecken wir uns. Wir verstecken uns vor ihrem vereinten Zorn und bitten Dich, oh Herr, um Gnade. Tugend bezwingt Sünde. Gib mir ein Zeichen, oh Herr, uns, die wir die Schlacht in Deinem Namen führen, Dein Dir ergebenster Diener, ich.«
Er legte das Buch hin. »Das ist der letzte Eintrag.«
Anthony entging nicht der Schmerz, der in seinen Worten mitschwang. »Die Sieben wurden aber zurückgeschickt. Also muss es einen Weg geben.«
»Jedoch nur mit Verlusten.« Er starrte auf das mit Blut befleckte Buch.
»Was heißt das, Pater? Ich verstehe zwar, dass die sieben Sünden zusammen stärker sind, dennoch meint Lieber, sie würden sich auflösen, wenn sie freigelassen wurden.«
Der Pater nickte. »Ja, denn sie fühlen sich von ihrer eigenen Wesensart angezogen. Wolllust zu Wolllust, Faulheit zu Faulheit. Sie können eingefangen werden, aber genau da endet das Tagebuch, und wir wissen nicht, wie der Unbekannte Märtyrer und seine Mitstreiter es geschafft haben. Wir wissen lediglich, dass es ihnen gelang und sie danach starben.«
Anthonys Miene war ernst. »Wir haben keine Wahl.«
»Doch. Es gibt noch andere Möglichkeiten, die wir herausfinden können, während wir nach den Sieben suchen, was eine Weile dauern wird. Zuerst allerdings fangen wir die Sünde hier in Santa Louisa ein, denn wir müssen unbedingt wissen, mit welcher wir es zu tun haben.«
»Warum?«
»Weil Sünden durch Tugenden eingefangen werden.«
Anthony runzelte die Stirn, bis er begriff, was der Pater meinte. »Wir können sie in einem Gefäß fangen, das sie außer Kraft setzt.«
»Ja. Ich glaube, das meint das Tagebuch. Ich habe es ganz durchgelesen. Die Sprache ist zwar sehr veraltet, doch anhand der Fakten glaube ich, dass die Märtyrer sie nacheinander in unterschiedlichen reinen Gefäßen eingefangen haben und bei der letzten Sünde gestorben sind.«
»Für jede Handlung gibt es eine ihr entsprechende und eine gegensätzliche Reaktion«, murmelte Anthony. »Keuschheit hebelt Wolllust aus, Bescheidenheit Stolz.«
»Ja. Und welche Sünde ist da draußen? Gegen welche kämpfen wir?«
Anthony erhob sich und ging auf und ab, während er nachdachte. »Die Leichen, die ich heute Morgen in der Leichenhalle gesehen habe – die mit dem Dämonenmal. Das waren eine Frau, die keine Kinder bekommen konnte und deshalb eine Schwangere die Treppe hinunterstieß, und ein Mann, der bei einer Beförderung übergangen wurde und die Frau umbrachte, die statt ihm den Posten erhielt. Aber was ist mit dem Basketballspieler, der an einem Aneurysma starb? Er hatte das gleiche Mal, verletzte aber niemanden.«
»Vielleicht kämpfte er in seinem Innern gegen die Sünde.«
Anthony blieb stehen. »Also heißt es entweder töten oder sterben?«
»Wenn wir mit einer der sieben Todsünden in Berührung kommen, wird unser Gewissen verdreht, und wir handeln impulsartig. Wir nehmen uns das, was wir wollen, und tun das, was wir wollen; wir kennen keine Grenzen, wissen nicht mehr, was richtig und falsch ist. Wenn jemand seinen Nachbarn um seinen Ochsen beneidet, dann nimmt er ihn sich einfach.«
»Beneiden – Neid.« In dem Moment,
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