Sündhafte Begierde der Verdammnis II
herabfallender Tropfen von der Gewölbedecke war zu hören. Irritiert schaute Lars wieder auf, als Bastian zum Sprechen ansetzte. „In einem Punkt muss ich Tamber recht geben: Du solltest deine Nase nicht ständig in Dinge stecken, die dich nichts angehen!“
Lars wich sofort zurück. „Wenn du darauf anspielst, Valentin diese Klamotten gebracht zu haben, dann ...“
Bastian unterbrach ihn ruckartig. „Das meinte ich nicht. Vielmehr bezog sich meine Ermahnung auf meine Tagebücher und mein Leben. Kapierst du das?“
Lars quittierte seine Antwort mit einem einfachen Nicken, gab jedoch nicht nach. Er wollte mehr wissen über den Mann, mit dem er seit geraumer Zeit in einem alten Gruselschloss zusammenlebte.
„Jetzt weiß ich wenigstens auch, warum du manchmal so geschwollen daherredest“, äußerte er sich.
„Wie bitte?“
„Ja, jetzt schon wieder. Teilweise passt du dich der heutigen Zeit an und redest ganz normal. Dann gibt es wieder Sätze, die du raushaust, als würdest du einem ... einem alten Adelsgeschlecht entstammen … Und ich glaube, das tust du, nicht wahr? … Du musst uralt sein. Älter als nur ein paar Hundert Jahre. Und genau das konnte ich nicht herausfinden, denn genau diese Tagebücher fehlen … Wo sind sie? Ich möchte mehr über dich wissen!“
Bastian lüpfte fragend die Brauen. „Du bist ja noch dreister, als ich gedacht habe. Aber bitte schön! Wenn du es unbedingt darauf anlegst – meine ersten Tagebücher wurden mir gestohlen und ...“
„Bis auf eines von den ersten“, fuhr ihm Lars ungeduldig ins Wort. Gespannt blickte er Bastian mit offenem Mund an, bis er weitersprach. „Du tust immer so, als könntest du nicht lieben. Aber in einem dieser Bücher stand, dass du vor langer Zeit sehr wohl geliebt hast. Sein Name war Ethon. Du hast den Namen mehrmals im Buch erwähnt. Ethon wurde hingerichtet ... Den Rest konnte ich nicht entziffern, weil du Hieroglyphen benutzt hast. Wann und wo hast du gelernt, Hieroglyphen zu schreiben?“ Ein erschrockener und gleichzeitig bösartiger Blick flog ihm entgegen. Doch da war auch noch etwas anderes in Bastians Augen. Ein Glanz, den er noch nie an ihm gesehen hatte. Es schien, als hätte er einen wunden Punkt getroffen. Dabei hatte es auf ihn den Anschein gemacht, Bastian wäre unverwundbar. Abwartend starrte er ihn an. Er hatte ihn nicht verletzen wollen.
„Verschwinde!“, fauchte Bastian grob. Seine Augen funkelten wild, und sein Schnauben glich dem eines Raubtiers, das kurz davor war, sich auf seine Beute zu stürzen.
„Aber ... Ich wollte dich nicht beleidigen ... Nur ...“ Lars stockte der Atem. Er wagte nicht, weiterzureden. Zu viel Ehrfurcht ließ ihn vor Bastian abermals hastig zurückweichen. Mit gemischten Gefühlen verließ er fluchtartig das Kellergewölbe, ohne sich umzublicken.
Bastian streckte den Kopf in den Nacken, dass seine Wirbeln laut knackten. Lars hatte alte Wunden aufgerissen. Er hatte ihn an eine Zeit erinnert, in der er glücklich gewesen war – mit einem Mann, den er sehr geliebt hatte. Doch diese Zeiten gehörten der Vergangenheit an. Ethon existierte nicht mehr. Nach dessen gewaltvollem Tod hatte er angefangen, sich auszutoben, hatte jeden Mann abgeschleppt, der sich ihm angeboten hatte. Diese Praktiken hatte er über sehr, sehr lange Zeit ausgelebt – auch noch, als Tamber in sein Leben getreten war. Dieser hatte ihn zwar etwas ruhiger gemacht, geliebt hatte er ihn aber nie, auch wenn er bis heute mit ihm zusammenlebte. Vielmehr war es zu dem damaligen Zeitpunkt eine tiefe Abhängigkeit seinerseits gewesen, um seine Einsamkeit zu überbrücken. Eine Vereinsamung, die seine Persönlichkeit verändert hatte. Diese Erfahrung hatte er ebenfalls schmerzlich hingenommen.
Die vielen Reisen in den letzten Epochen hatten ihn ermüdet. Vielleicht war es sogar an der Zeit, in seine Heimat zurückzukehren – ins Reich der Pyramiden, das einst sein Zuhause gewesen war und wo er zum letzten Mal geliebt hatte.
Liebe, verdammt. Er hatte die Zeit davor vergessen wollen und sich selbst eingeredet, nicht älter als ein paar Jahrhunderte zu sein – hatte sein wahres Alter und die Jahrtausende, die er bereits als Unsterblicher fristete, einfach aus seinem Gedächtnis verbannt. Doch nun war die Mauer eingestürzt. Die Erinnerung kehrte zurück – und damit auch das Leid an die verloren gegangene Liebe.
Die Liebe und der Tod, dachte er gedankenversunken, stehen in so engem Verhältnis zueinander.
Valentin!
Tränen
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