Sündhafte Begierde der Verdammnis II
ist zwar niedrig, aber immerhin hoch genug, um Euch gerettet zu haben“, gab der Mann, der ihn schleppte, knapp zurück.
Valentin erkannte die Stimme sofort. Reeper!
„Wo bringen Sie mich hin, Reeper? Was machen Sie überhaupt hier?“, äußerte er sich erschöpft.
Reeper hielt an und stellte Valentin unsanft auf die Beine. Kurz schwankte dieser und hielt sich keuchend an der frostigen Mauer fest.
Alles um Valentin herum drehte sich. Trotzdem versuchte er sich zu konzentrieren und dachte nach. Was war geschehen?
Er hatte den totalen Blackout, bis ihm die Grabkammer und die ägyptische, einbalsamierte Leiche wieder einfielen ... Er konnte sich sogar an die Fallen erinnern. Flüchtig blickte er auf seinen Oberschenkel hinab. Es hatte aufgehört zu bluten. Dennoch – wie war er aus dem Gewölbe gekommen?
„Ihr seid sehr blass ...“, durchbrach Reeper Valentins Gedankengänge. Seine Art war, wie schon beim letzten Mal, äußerst ruppig, aber irgendwie vertrauter. Auch wenn Valentin feststellte, dass dieser ihn mit einem unersättlichen, beinahe gierigen Blick bedachte. Jener Blick, der ihm auch schon in der Mühle unangenehm aufgefallen war.
„Warum helfen Sie mir?“, fragte er leise und schob die Taschenlampe ein Stück von sich. Reeper hatte ihm mitten in die Augen geleuchtet.
Sein entstelltes Gesicht starrte ihn entschlossen an. „Weil Sie schon fast zur Familie Von Werlenberg gehören. Mein Herr würde nicht wollen, dass Euch etwas zustößt.“
Valentin wunderte sich erneut über dessen altertümliche Ausdrucksweise, schwieg jedoch. Zudem war er sich nach wie vor nicht im Klaren, ob er ihm trauen konnte.
„Bastian ...“ Er blickte ihn fragend an.
Reeper nickte mit klaffendem Mund. Dadurch, dass er sein Gesicht nun von unten beleuchtete, wirkte er noch gespenstischer. Der Anblick war nicht leicht zu ertragen.
„Wo bringen Sie mich hin?“, fragte Valentin deshalb sicherheitshalber nach.
„Zurück ins Pfarrhaus.“
Valentin wurde noch misstrauischer. „Was bekommen Sie dafür?“
Reepers Gesichtszüge verhärteten sich. „Ewiges Leben. Er schenkt mir das ewige Leben ...“
Valentin schüttelte ungläubig den Kopf. Entweder verlor er selbst langsam den Verstand oder es war hier etwas Metaphysisches im Gange, das ein normaler Menschenverstand nicht mehr imstande war zu erfassen.
„Wohin führt der Tunnel?“, erkundigte er sich weiter.
Reeper schwieg zunächst. Dann sprach er: „Mitkommen ...“ Er machte mit der Taschenlampe eine Bewegung nach vorn, von wo aus ihnen nichts als die dämonische Dunkelheit entgegenlachte.
Widerwillig hinkte Valentin neben Reeper her, der ihn stützte.
„Nicht mehr weit“, nuschelte der entstellte Mann. Es kamen einige Seitennischen zum Vorschein, in die Valentin jedes Mal skeptisch einen flüchtigen Blick hineinwarf. Erst als er vor sich den Ausgang erspähte, der sie in die Dämmerung hinausführte, beruhigte sich sein rasendes Herz ein wenig. Automatisch wurden seine humpelnden Schritte schneller, und er vergaß die Mattigkeit und Schmerzen, die radikal Besitz von ihm ergriffen hatten. Völlig fertig taumelte er hinter Reeper ins Freie und blickte sich um. Hinter ihm erstreckte sich in der Düsterkeit zwischen schneebedeckten Bäumen das Kloster.
„Folgen!“, machte sich Reeper erneut bemerkbar und hatte es plötzlich sehr eilig. „Folgen!“
Valentin überlegte kurz, was er tun sollte. Konnte er Reeper tatsächlich so weit trauen, mit ihm zu gehen?
Andererseits wollte er auf keinen Fall zum Kloster zurück, wo man mit Sicherheit annahm, dass er längst tot war. Er wollte sie lieber in dem Glauben lassen. Also schleppte er sich hinter Reeper her.
„Ihr wartet hier ...“, rief dieser ihm nun zu, während er zwischen verschneiten Büschen verschwand und Sekunden später in einem schwarzen Auto zurückkehrte, dessen Kofferraumtür weit offen stand. Reeper ließ den Motor laufen, sprang vom Beifahrersitz und lief auf Valentin zu. Mit seinen großen Händen packte er ihn und zerrte ihn um den Wagen herum bis zur Rückseite.
Valentin erschrak, als er darin einen geöffneten Sarg erspähte.
Doch Reeper wartete nicht lange. Mit ungeheurer Kraft hob er ihn hoch und stieß ihn ins Totenbett. Knatternd drückte er den Deckel darauf und verschraubte ihn. Auf der Vorderseite befand sich ein kleines Loch, über das er dem jungen Priester Luft zum Atmen ließ. Dann machte er von innen die Tür zu, krabbelte über die Holzkiste hinweg zum Fahrersitz und
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