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Sündige Seide: Roman (German Edition)

Sündige Seide: Roman (German Edition)

Titel: Sündige Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Howard Glenn wäre der Hauptverantwortliche und der Verbindungsmann zwischen ihm und dem Morddezernat. Sobald Glenn seine Beamten auf den Fall angesetzt hätte, würde er Cassidy von allen neuen Ermittlungsergebnissen unterrichten.
    Er wußte, daß es nicht leicht war, mit Glenn zusammenzuarbeiten. Er war ein Rüpel und in jeder Beziehung schlampig – außer bei der Arbeit. Aber Cassidy war gewillt, im Austausch für Glenns Kompetenz seine Charakterfehler zu übersehen.
    »Haben Sie was?« fragte er, nachdem er das fade Sandwich abgelegt hatte.
    »Der Laborbericht ist da. Wir gehen ihn gerade durch.«
    »Wie sieht’s aus?«
    »Die Abdrücke sind alle von ihm, von seiner Alten und von dem Zimmermädchen, das sich um die Suite kümmert. Natürlich gibt’s daneben ein paar hundert Teilabdrücke von Leuten, die vor ihm in der Suite waren.«
    Obwohl Cassidy nichts anderes erwartet hatte, war das entmutigend. »Was ist mit der Waffe?«
    »Fehlanzeige. Wer immer in Wildes Suite spazierte und ihn umgelegt hat, hat die Waffe mitgenommen.«
    Daß die Tatwaffe fehlte, würde die Lösung dieses Falles und den Gang vors Gericht zu einer echten Herausforderung machen. Zum Glück mochte Cassidy Herausforderungen – je größer, desto lieber.
    »Wie schnell können Sie ein paar Telefone anzapfen?« fragte er den Detective.
    »Gleich morgen früh. Wen außer der Frau und dem Sohn?«
    »Das besprechen wir morgen. Wir bleiben in Verbindung.«
    Er legte auf, nahm einen Bissen von seinem Sandwich, einen Schluck von seinem schalen Bier und konzentrierte sich dann wieder auf den Fernseher. Er hatte den Kabelsender angerufen, der Jackson Wildes Stunde für Gott und Gebet ausgestrahlt hatte, und um Kopien aller verfügbaren Bänder gebeten. Die Senderleitung hatte die Bänder umgehend an sein Büro liefern lassen. Er hatte sie mit nach Hause genommen, wo er sie ungestört anschauen konnte.
    Die Sendungen waren Hochglanzproduktionen. Wilde zog eine Glitzershow ab inklusive weißen Tauben, einem Orchester, einem fünfhundertköpfigen Chor, einer Blattgoldkanzel und Joshuas verspiegeltem Flügel, der an den des verstorbenen Liberace erinnerte.
    Die Show lief immer nach dem gleichen Muster ab. Die Sendung wurde mit einer Fanfare eröffnet, die das Jüngste Gericht anzukündigen schien. Der Chor brach in ein Lied aus, die weißen Tauben wurden losgelassen und flatterten auf, und Wilde kam eine geschwungene Treppe herunter, als wäre er eben zu Besuch beim Allmächtigen gewesen, und genau das gab er mit seinen Begrüßungsworten auch zu verstehen.
    Ariel, die immer jungfräulich weiß gewandet war und als einzigen Schmuck einen goldenen Ehering und diskrete Perlenohrringe trug – Wilde betonte immer, daß die einzigen Schätze, die sie horteten, geistiger Natur waren –, wurde mit einem Trompetentriller aus dem Hintergrund auf der Bühne begrüßt. Dann bekamen die Zuschauer eine Nahaufnahme von Joshua Wilde zu sehen, der die Einleitung zu Ariels erstem Lied spielte.
    Ihre bestenfalls durchschnittliche Stimme wurde von dem Orchester, dem Chor und einem Soundsystem unterstützt, dessen schwindelerregende Kosten sich selbst im Schuldenhaushalt der Regierung bemerkbar gemacht hätten. Ariel bedachte Jackson, Josh, die Zuschauer und den Himmel mit einem seligen Lächeln. Bis zum Ende des Liedes war unausweichlich eine beredte, glänzende Träne aus ihren himmelblauen Augen geflossen.
    Cassidy war von Natur aus skeptisch. Es war ihm unverständlich, wie sich ein einigermaßen intelligenter Mensch, und sei er noch so leichtgläubig, von Wildes pompöser Jahrmarktsvorstellung blenden lassen konnte. Seine Predigten entstellten das Evangelium bis zur Unkenntlichkeit. Er predigte viel eifriger über göttliche Rache als über Gnade, über Verdammung als über Liebe, über die Hölle als über den Himmel. Man hörte mehr über Satan als über Christus. Es war leicht nachzuvollziehen, warum ihn die Vertreter der meisten organisierten Kirchen verachteten.
    Cassidy begriff außerdem, wie Wilde seine engstirnigen Jünger zu solchem Fanatismus anheizen konnte. Er sagte ihnen bloß, was sie hören wollten: daß sie recht hatten und jeder, der anderer Meinung war, unrecht. Natürlich stand Gott immer auf ihrer Seite.
    Nachdem er die Bänder mehrmals angeschaut und sich dabei Notizen gemacht hatte, schaltete Cassidy den Apparat aus und ging in sein Schlafzimmer. Eine Bestandsaufnahme seiner sauberen Hemden und Hosen ergab, daß sich der nächste Gang zum

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