Sündige Seide: Roman (German Edition)
Jackson und mich zu sehen, nicht wahr? Er ist von uns gegangen. Ich bin noch da. Und wenn Sie glauben, daß nur er feurig predigen kann, dann warten Sie, bis Sie mich gehört haben.«
Ihre Offenheit war ihnen peinlich, aber niemand wagte, ihr zu widersprechen. Sie wollte klarstellen, daß von diesem Augenblick an sie allein das Sagen hatte. Wo zuvor Jacksons Wort Gesetz gewesen war, war es jetzt ihres.
»Bruder Raye?«
Er sprang auf. »Ja, Ma’am?«
»Sie haben den Cincinnati-Kreuzzug abgesagt. Warum?«
»Also, ähm, ich . . . ich dachte . . . nachdem Jackson . . .«
»Treffen Sie nie wieder eine solche Entscheidung, ohne mich zu konsultieren. Legen Sie die Termine wieder fest. Wir werden den Kreuzzug wie geplant durchführen.«
»Aber bis dahin sind es nur noch zwei Wochen, Ariel. Sie brauchen Zeit –«
»Legen Sie sie wieder fest«, wiederholte sie eisig.
Bruder Raye sah sich gehetzt am Tisch um, verzweifelt nach Unterstützung suchend. Aber er fand keine. Alle schwiegen mit gesenkten Blicken.
Schließlich sagte Bruder Raye: »Ich werde die Termine sofort wieder festlegen, Ariel. Wenn Sie sich dazu in der Lage fühlen.«
»Bis wir dorthin kommen, werde ich das sein. Im Moment fühle ich mich allerdings erschöpft.« Sie stand auf. Die anderen folgten ihrem Beispiel, unsicher und langsam wie ausgezählte Boxer, die sich erst mühsam wieder zurechtfinden mußten.
»Josh wird für mich sprechen und umgekehrt«, verkündete sie auf dem Weg zur Tür. »Allerdings ist es mir lieber, wenn alle Fragen und Probleme mit mir persönlich besprochen werden. Je eher ich Jacksons Aufgaben übernehme, desto besser. Wenn jemand von Ihnen damit Probleme hat...«
Sie zog die Tür auf und deutete mit einer Kopfbewegung an, daß jeder gehen konnte, der nicht nach ihren Regeln spielen
wollte. Niemand rührte sich. Einer nach dem anderen hielt den Atem an, als sie ihn ansah. Schließlich deutete sie ihr Schweigen als Einverständnis.
Ein Engelslächeln breitete sich über ihr blasses Gesicht. »Ich freue mich so, daß Sie alle an Bord bleiben. Genau das hätte Jackson sich gewünscht und von Ihnen erwartet. Und, wie sich von selbst versteht, das ist auch Gottes Wille.«
Sie lächelte strahlend und streckte dann ihre Hand nach Josh aus. Pflichtbewußt eilte er zu ihr und geleitete sie aus dem Konferenzraum.
»Was für ein Auftritt«, meinte Josh, als sie aus dem Gebäude kamen.
»Auftritt?« Ariel ließ sich in die Limousine sinken, die am Straßenrand wartete.
»Wir fahren heim«, erklärte Josh dem Chauffeur, bevor er die Trennscheibe hochfahren ließ. Er lehnte sich in die tiefen Polster und starrte durch die getönten Fenster, um seinen Zorn zu zügeln, bevor er seine Stiefmutter ansprach.
Schließlich drehte er sich zu ihr um. »Du hättest mit mir darüber sprechen können.«
»Du klingst wütend, Josh. Weshalb bist du wütend?«
»Spar dir das Theater, Ariel. Und hör auf, mit den Wimpern zu klimpern wie eine gottverdammte Kokotte auf einem Cocktailempfang. Ich kauf’ dir den Unschuldsengel nicht ab. Hast du das immer noch nicht begriffen?«
Sie kniff pikiert die Lippen zusammen. »Du bist nur wütend, weil ich meine Pläne nicht vorher mit dir besprochen habe.«
»Bist du eigentlich größenwahnsinng geworden, Ariel?« Er blickte sie fassungslos an. »Glaubst du wirklich, daß du und ich die Missionsgesellschaft führen können?«
»Ich weiß, daß ich es kann.«
»Ach, ich verstehe. Und aus Barmherzigkeit läßt du mich daran teilhaben.«
»Leg mir keine Worte in den Mund.«
»Warum sollte ich?« fuhr Josh sie an. »Um Worte bist du doch nie verlegen. Aber weißt du auch, was sie bedeuten?«
Das ärgerte sie. Ihre mangelhafte Schulbildung war ihr wunder Punkt. »Traust du mir nicht zu, die Organisation zusammenzuhalten?«
»Nein. Obwohl ich glaube, daß du dich selbst davon überzeugt hast.« Er sah sie prüfend an. »Dich kann nichts aufhalten, nicht wahr? Nicht einmal Vaters Tod.«
»Josh, Jackson ist tot, daran ist nichts zu ändern. Wir haben ihn beerdigt.«
»Mit mehr Trara und Pomp als bei einer Krönung.«
»Die Medien sind gekommen, oder etwa nicht?«
»Haben wir dazu den Chor und das Orchester und diese dämlichen auffliegenden Tauben gebraucht?«
»Der Vizepräsident der Vereinigten Staaten war da!« brüllte sie ihn an. »Bist du zu blöd, um zu begreifen, was das einbringt?«
»Ihm bringt es ungefähr eine Million Stimmen.«
»Und uns anderthalb Minuten in den Hauptnachrichten.
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