Sündige Seide: Roman (German Edition)
haben eine Genehmigung. Sie werden die Sache durchstehen müssen.«
Sie wies mit ihrer Hand zur Tür. »Aber indem sie ihre Rechte ausüben, verletzen sie meine Privatsphäre.«
»Beruhigen Sie sich. Eine Demonstration wird Ihrem Unternehmen nicht ernsthaft schaden.«
»Mir geht es nicht um mein Unternehmen«, widersprach sie aufgebracht. »Haben Sie die Kameras nicht gesehen? Für uns ist das kostenlose Werbung. Aber sie gefährden das Bienville House, das Hotel gegenüber. Die Lieferanten kommen nicht mehr durch. Der Koch bekommt bald einen Schlaganfall. Die Gäste beschweren sich. Und der Manager, mit dem ich seit Jahren befreundet bin, hat mich schon zweimal angerufen und zu Recht gefordert, daß ich diesem Wahnsinn ein Ende mache. Außerdem habe ich Angst um meine Angestellten. Als die Frühschicht vorhin gehen wollte, wurden die Leute angepöbelt und ausgepfiffen. Deshalb habe ich Sie angerufen. Ich möchte nicht, daß meinen Angestellten etwas passiert.«
»Es tut mir leid, Claire. Das haben Sie Ariel Wilde zu verdanken.«
»Ariel Wilde und Ihnen .«
»Mir?« wiederholte er verdattert. »Wie zum Teufel können Sie mir die Schuld dafür geben?«
»Man hat noch nie gegen mich demonstriert, Mr. Cassidy.«
»Hören Sie, mir gefällt das ebensowenig.« Er beugte sich vor und sah ihr aus nächster Nähe in die Augen. »Ariel Wilde will das NOPD und meine Abteilung als einen Haufen Trottel hinstellen. Die Leute sollen nicht vergessen, daß wir den Mord an ihrem Mann immer noch nicht aufgeklärt haben. Sie braucht ein bißchen Publicity und will sie sich auf diese Weise verschaffen.«
»Meinetwegen kann sie soviel Publicity kriegen, wie sie will. Aber ich will mit der Sache nichts zu tun haben.«
»Tja, Pech für Sie, daß Sie schon soviel damit zu tun haben.«
»Nur weil Sie ständig hier herumschleichen!« schrie Claire ihn an.
»Nein, weil Sie mich von Anfang an angelogen haben.«
»Nur um mich, meine Freunde und meine Familie vor Ihrer Schnüffelei zu schützen.«
»Ich tue nur meine Arbeit.«
»Wirklich?«
Darauf wußte er nichts zu sagen; in seiner Arbeitsbeschreibung stand nichts davon, daß er Verdächtige beim Verhör küssen sollte. Plötzlich schien auch ihr das wieder einzufallen. Hastig machte sie einen Schritt zurück. Ihre Stimme klang gepreßt. »Lassen Sie mich endlich in Ruhe, Mr. Cassidy, und nehmen Sie diese Menschen mit.«
Sie deutete auf die Tür, aber bevor sie ausgeredet hatte, kam ein Ziegel durch das Fenster direkt über ihnen geflogen. Das Glas zerplatzte. Cassidy riß Claire in seine Arme und warf sich mit ihr hinter einen Turm von Versandkartons. Er preßte sie an seine Brust und hielt schützend die Hand über ihren Kopf. Die Arbeiterinnen flohen in alle Richtungen und versuchten dem herabregnenden Glas zu entkommen, das auf dem Betonboden in winzige Splitter zerstob.
Als das Klirren aufgehört hatte, ließ Cassidy sie wieder los. »Ist alles in Ordnung?« Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht und suchte die zarte Haut nach Schnitten und Kratzern ab.
»Ja.«
»Bestimmt?«
»Ja. Mir ist nichts passiert. Ist jemand verletzt?« Langsam tauchten die Angestellten aus ihrer Deckung auf.
»Alles okay, Miss Laurent.«
Als sich Claire wieder zu Cassidy umdrehte, stockte ihr der Atem. »Sie haben sich geschnitten.« Sie hob die Hand und berührte seine Wange. Als sie ihre Finger wieder wegnahm, waren sie blutverschmiert. Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte ihr damit die Finger ab, bevor er es auf seine Wange drückte. Um sie herum lagen, glitzernd wie Diamanten, staubfeine Glassplitter. Er bückte sich und hob den Ziegel auf, der den Schaden angerichtet hatte. Jemand hatte mit Leuchtstift DRECKIGES SATANSWEIB darauf geschrieben.
»So«, erklärte Claire, nachdem sie die krakeligen Worte gelesen hatte. »Jetzt reicht’s.« Sie marschierte zur Tür, und die Scherben unter ihren Schuhen knirschten.
»Nicht, Claire!«
Ohne auf ihn zu hören, zog sie die Tür auf, trat auf den Gehweg und marschierte zu einem Polizisten. Sie zupfte ihn am Ärmel, um ihn auf sich aufmerksam zu machen.
»Ich dachte, Sie sollten dafür sorgen, daß diese Demonstration friedlich verläuft.«
»Der Ziegel kam wie aus heiterem Himmel. Es tut mir leid, Madam.«
»Meine Angestellten hätten verletzt werden können.«
»Die Genehmigung bezieht sich nicht aufs Steinewerfen«, bemerkte Cassidy.
Der Polizist erkannte ihn. »Hey, Sie sind doch Cassidy, nicht wahr?«
»Ganz recht.
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