Suendiger Hauch
hatte und die sicherlich bereits eine Verbesserung im Vergleich zu den schmutzigen Sachen darstellte, die er im St. Bart’s getragen hatte.
»Das Band ist aus Samt und die Hose aus einem Material, das man Satin nennt.«
Michael berührte den Stoff erneut an Luciens Oberschenkel und ließ seine Hand vorsichtig über das weiche, glänzende Gewebe gleiten. »Das sind die schönsten Sachen, wo ich je gesehen hab.«
Luciens Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Es gibt Zeiten, in denen ich sie gegen einfache Kleidung eintauschen würde, aber du hast natürlich Recht, ich finde auch, dass sie in der Tat hübsch sind ...«
»Wenn ich mal groß bin, will ich auch so was haben.«
Kathryn beugte sich hinab und nahm ihn in ihre Arme. »Ich bin sicher, das wirst du auch, Michael.«
Lucien machte sich im Geiste eine Notiz, seinen Schneider rufen zu lassen. Das Kind würde eingekleidet werden müssen, und zwar so schnell es ging, und er würde sich selbst darum kümmern.
»Und nun lasst uns frühstücken.«
Michael ergriff Kathryns ausgestreckte Hand. »Ich hoff, es is’ kein Haferschleim«, murmelte er, was Lucien ein erneutes Lächeln entlockte.
»Kein Haferschleim heute«, beruhigte er ihn. »Was würdest du von gebratenem Fasan halten?«
Michael Bartholomew war hingerissen vom Fasan, ebenso wie von den Würstchen und den gebratenen Eiern, dem Wilton-Käse und den Apfelpasteten, und ganz besonders von der kochend heißen Schokolade. Lucien hatte noch nie einen so kleinen Menschen so viel essen sehen. Er dachte daran, den Jungen vielleicht vom Weiteressen abzuhalten, um zu verhindern, dass ihm schlecht wurde, doch dann unterließ er es.
Im Laufe der Zeit würde das Kind schon lernen, dass es zu jeder Mahlzeit ausreichend zu essen gab. Im Augenblick stellte wahrscheinlich die Tatsache eines leicht verdorbenen Magens einen geringfügigen Preis dafür dar, sich einem derartigen Genuss hingeben zu dürfen.
»Ich dachte, ich zeige Michael später den Rest des Hauses«, sagte Kathryn, die auf einem Stuhl neben ihm Platz genommen hatte, während sie sich den Mund mit einer weißen Leinenserviette abtupfte, bevor sie sie wieder auf ihren Schoß legte.
Das Kind sah sie aufmerksam an und ahmte sie sofort nach.
Lucien nippte an seinem Kaffee. »Eine gute Idee. Ich muss heute noch ein paar dringende Dinge erledigen, aber vielleicht kann ich morgen mit ihm zum Stall gehen. Ich denke, Michael macht es sicher Spaß, sich die Pferde anzusehen.«
Michaels blaue Augen richteten sich auf Lucien. »Pferde?
»Einen ganzen Stall voll«, erwiderte er nickend.
»Ich mag Pferde. Ich hab ein paar schöne gesehen, die haben so bunte Wagen gezogen, als die Leute gekommen sind, um die Irren anzugucken. Kann ich dann mal reiten?« Auf dem Gesicht des kleinen Jungen lag eine derartige Sehnsucht, dass Lucien einen unerwarteten Stich im Herzen verspürte.
»Ich denke, das lässt sich einrichten.«
Er grinste, und seine Wangen glühten vor Erwartung und Freude. »So ein großes Haus und auch Pferde. Heiliges Kanonenrohr, Kathryn, ich wusste nicht, dass er so verdammt reich is’.«
Lucien hätte sich beinahe an seinem Kaffee verschluckt, während Kathryn sich verzweifelt bemühte, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Heiliges Kanonenrohr, dachte er, wie, um alles in der Welt, war es ihm gelungen, zu einem derartigen Gespann zu kommen?
Trotzdem war er froh - als er den Jungen beobachtete, wie er von seinem Stuhl glitt, sich umdrehte, in der Annahme, dass niemand ihn beobachtete, und sich ein Würstchen schnappte und unter seinem Hemd verbarg -, dass der Junge nicht mehr im St. Bart’s, sondern hier war.
Wie der Marquis versprochen hatte, ging Kathryn zusammen mit Michael und ihrem Ehemann am nächsten Morgen zu den Ställen. Die drei hatten den Abend zuvor gemeinsam verbracht, während Michael mit Händen und Füßen erzählt, beschrieben und erklärt hatte, welche wunderschönen Dinge er im Schloss gesehen hatte. Die Ahnengalerie mit ihren endlosen Reihen von Bildern der aristokratischen Familie der Litchfields hatte ihm sehr gefallen, ganz besonders hingerissen war er jedoch von der Waffengalerie gewesen, mit ihren historischen Schwertern, den bedrohlich aussehenden Äxten und Schilden.
Sie hatten ein ruhiges Abendessen eingenommen, was sie in Zukunft nicht mehr allzu häufig tun würden, sobald eine passende Gouvernante für Michael gefunden war und er sich an sein Leben im Schloss gewöhnt hatte. Es war ein höchst
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