Suendiger Hauch
tief durch, um sich zu beruhigen, und begann zu schreiben, wobei sie sich darum bemühte, im Gegensatz zu ihrer eigentlich etwas feineren Handschrift, die Bögen der Buchstaben dick und schwungvoll auf das Papier zu setzen. Sie schrieb an einen Mann, der einmal ein guter Freund der Familie gewesen war: an Bischof Edwin Tallman.
Obwohl der Bischof ihrem Onkel geglaubt hatte, als dieser sie ins St. Bart’s geschickt hatte, und sich außerstande gesehen hatte, sich für sie einzusetzen, war er eine angesehene Persönlichkeit der Kirche und ein Mann, der seine Prinzipien hatte. Er war einer der vierundzwanzig Bischöfe, die einen Sitz, im Parlament, dem House of Lords, innehatten und besaß großen Einfluss auf die Mitglieder der Aristokratie.
Abgesehen davon, dass er für gewöhnlich von seinen Überzeugungen durch nichts abzubringen war, gehörte er auch zu den wenigen Männern, die über ausreichend Macht über den Earl of Dunstan verfügten, um ihn zu veranlassen, sich ihrem Willen zu fügen.
Kathryn beendete das Schreiben, steckte die Feder wieder in das Tintenfass zurück und las es noch einmal durch.
Ich schreibe Ihnen, Bischof Tallman, da ich weiß, dass Sie ein langjähriger Freund des Earl of Milford waren. Sollten Sie Lady Kathryn Grayson helfen wollen, bringen Sie ihren Onkel, Lord Dunstan, in der Nacht des 20. November in das kleine Dorf Gorsham. Südlich davon, im Wealdon Forest, liegt eine kleine abgeschiedene Hütte, etwa eine halbe Meile entlang der Straße, die aus dem Dorf führt. Sie werden sie dort genau um zehn Uhr mit dem Mann finden, der für ihre Entführung verantwortlich ist. In Erinnerung an die Freundschaft, die Sie einst mit ihrem Vater verband, sorgen Sie dafür, dass Dunstan sie nicht ohne Begleitung sucht.
Kathryn kämpfte die Furcht nieder, die sich über ihr schlechtes Gewissen erhob. Wenn ihr Plan von Erfolg gekrönt war, würde Bischof Tallman gemeinsam mit ihrem Onkel und seinen Männern nach Gorsham kommen. Sie würden gegen zehn Uhr in der Hütte eintreffen und Lord Litchfield in einer kompromittierenden Situation gemeinsam mit Lady Kathryn Grayson vorfinden.
Nach den ununterbrochenen Bemühungen des Marquis für ihre Befreiung aus St. Bart’s, seinem Beharren, dass sie nicht im Mindesten verrückt war, und der Tatsache, dass sie eine unschuldige junge Frau war, würde der Bischof, so hoffte sie zumindest, darauf bestehen, dass Lucien sie heiratete.
Sollte ihr Onkel dieser Heirat nicht zustimmen, wäre sein Ruf in derselben Weise ruiniert wie der des Marquis of Litchfield.
Kathryn faltete den Brief zusammen und versiegelte ihn mit einem Tropfen geschmolzenes Wachs. Sie würde Bennie Taylor bitten, dafür zu sorgen, dass einer der Jungen aus dem Dorf den Brief überbrachte.
Ein tiefes Gefühl der Angst überkam sie, als sie auf den Brief hinabblickte. Sie riskierte alles und schuf sich gleichzeitig die größte Chance in dieser verzwickten Situation. Wenn sie scheiterte, würde sie nach St. Bart’s oder sogar an einen noch schlimmeren Ort geschickt werden, wenn es so etwas überhaupt gab.
Doch wenn sie Erfolg hatte, wäre sie frei.
Sie dachte erneut an die Bestimmungen ihrer Vormundschaft, die sie auf diese Idee gebracht hatte, eine Klausel, die vorsah, dass sie im Falle einer Heirat dem Einfluss ihres Onkels entzogen sein würde. Sie hätte dies schon vor Jahren getan, um ihm zu entkommen, doch in diesem Fall würde ihr Erbe auf ihren Ehemann übergehen, und aus diesem Grund hätte der Earl niemals seine Erlaubnis gegeben. Doch wenn ihr Plan aufging, würde er keine andere Wahl haben.
Es war eine brillante Idee - vorausgesetzt, sie funktionierte tatsächlich.
Lucien war das Problem an der Sache. Sie wollte ihn keinesfalls verletzen. Er war ein guter Mann und der loyalste Freund, den sie jemals gehabt hatte. Sie wollte ihn nicht weiter in ihre Probleme hineinziehen, als sie es schon getan hatte, doch die Männer des Constable standen praktisch schon vor ihrer Tür, und jeder Tag erhöhte die Chance für ihren Onkel, sie zu finden. Und wenn ihm dies gelänge und er sie ins St. Bart’s zurückbringen würde, wäre dies das Ende ihres Lebens.
Ihr Gewissen focht einen unerbittlichen Kampf gegen ihre Gefühle für Lucien, Gefühle, die - so musste sie zugeben - jeden Tag mehr als die einer bloßen Freundschaft wurden, doch gleichzeitig war ihr klar, dass sie eine erhebliche Rolle dabei spielte, dass sein sorgfältig geplantes Leben zerstört wurde. Er liebte Allison
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