Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
würde. Aber sie tat, wie ihr geheißen, und stellte den Wein und das Tablett mit Essen auf den Tisch vor dem Kamin, ehe sie kurz verschwand. Wenige Minuten später war die Wanne fort, und Emma war allein.
In der Ferne konnte sie das tiefe Grollen des Donners hören. Als missbilligte auch der Himmel alles, was sie dachte und tat. In diesem großen Gemach fühlte sie sich klein, schmutzig und billig. Sie hatte sich diesen Luxus unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erkauft, und auch wenn sie selbst wusste, dass sie das Richtige tat, musste sie sich ebenso bewusst machen, wie es für alle aussah, wenn sie Fürst Sandre gestattete, um sie zu werben. Außer Lady Fanchere verachtete sie jeder, denn sie wirkte wie eine Straßenhure, die nach der großen Chance griff, dem Elend und der Hoffnungslosigkeit ihres Lebens zu entkommen. Es gab in der Geschichte viele Frauen, die genau das getan hatten. Aber nur wenige hatten sich einem so erniedrigenden und brutalen Bräutigam gegenüber gesehen wie Fürst Sandre es war.
Sie setzte sich in den Samtsessel und zog den alten Schal enger um ihre Schultern. Dann nahm sie ihren Kamm und begann, die Knoten aus ihren Haaren zu kämmen.
Wie schon so viele Nächte zuvor saß Jean-Pierre auf seinem dösenden Pferd. Er war ganz still und bewegte sich nicht. Das Gebüsch am Rande der Hauptstraße verbarg ihn gut. Er war allein; zu lange war der Schnitter ihm schon entkommen. Der Fürst würde nicht ewig auf Ergebnisse warten.
Wie schon viele Male zuvor berührte Jean-Pierre den Peitschenschnitt, der sein Gesicht bis auf den Knochen aufgerissen hatte. Die Wunde war rot und entzündet. Wie Fürst Sandre es erhofft hatte, erinnerte diese Wunde ihn ständig an sein Scheitern.
Darum hatte Jean-Pierre in dieser Nacht auf die Hilfe seiner Männer verzichtet. Die Männer waren es allmählich leid, Stunde um Stunde zu warten. Sie tuschelten bereits, weil sie fanden, Fürst Sandre sei davon besessen, den Schnitter zu fangen. Wegen ihres Geredes, das von den Dienern aufgeschnappt wurde, konnte jeder von Moricadia binnen eines Tages wissen, wie sie vorhatten, den Schnitter zu fassen.
Inzwischen schlief Jean-Pierre tagsüber, nachts behielt er die Straße im Auge. Sein Gewehr hatte er geladen und entsichert am Sattel befestigt.
Es war schon nach Mitternacht, und die Schatten verdichteten sich. Der Halbmond segelte hoch am Himmel auf einem Wolkenschiff dahin. In der Ferne hörte er den unvermeidlichen Gewittersturm, und er fluchte heftig.
Jede Nacht erhob sich erneut ein stürmisches Gewitter am Horizont und ließ Wind und Regen über das zerklüftete Land fegen. Helle Blitze setzten die Welt in Brand. Als wäre die Nässe nicht schon schlimm genug, wusste er, dass die Landbevölkerung die Stürme als Beweis ansah, dass der Schnitter das Wetter kontrollierte. Denn tauchte er nicht jedes Mal mit einem Donnerschlag auf und verschwand wie der Blitz?
Abergläubisches Pack.
Er versteifte sich.
Er hörte das Klappern sich nähernder Hufe. Ein Pferd kam die Straße entlanggaloppiert.
Leise zog er das Gewehr aus dem Holster am Sattel.
Der reiche Ire Mr Gillespie Cosgair kam um die Ecke. Er beugte sich tief über den Hals seines Wallachs und schaute sich immer wieder um. Voller Panik trieb er seinen Gaul an.
Er war in Panik? Vielleicht, weil er vom Schnitter verfolgt wurde?
Jean-Pierre legte das Gewehr an.
Ein zweites Pferd kam um die Ecke und raste hinter Mr Cosgair her.
Es war der Count Belmont Martin, der den Iren verfolgte. Sein Blick war starr auf Cosgairs Rücken gerichtet, sein Gesicht war von mörderischer Wut verzerrt.
Erneut hatte Martins Frau ihn zum Hahnrei gemacht.
Jean-Pierre schob sein Gewehr zurück in das Holster.
Und wartete.
24
Der Schnitter schlüpfte durch die Tür zum angrenzenden Salon in das Schlafgemach von Emma und bewegte sich lautlos bis zur Mitte des Raums.
Sie saß vor dem offenen Kaminfeuer und hatte sich in ihr liebstes altes Schultertuch gewickelt. Sie beugte sich vor, um die Hitze der Flammen zu spüren, während sie mit dem Kamm durch ihr langes dunkles Haar fuhr. Der Anblick ihrer nachdenklichen Silhouette ließ sein Herz schmelzen. Im Gegenlicht des goldenen Feuers konnte er durch den durchsichtigen Stoff ihres Nachthemds die Konturen ihrer langen, schlanken Beine sehen.
Sie legte den Kamm beiseite. Nahm einen Schluck Wein und aß eine Handvoll Trauben. Das Tuch rutschte von einer Schulter, und er sah, dass sie ein neues Nachthemd mit Spitzenbändchen
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