Süße Fesseln der Liebe
finden, und das verwinkelte Zimmer im Haus seiner Tante, das ohnehin eher einem Mausoleum glich, würde die zwanzig um noch einmal mindestens zehn übertreffen. Dennoch galt immer: Je kleiner und intimer die Runde, desto mehr Informationen würde er bei den Gästen belauschen können.
Er stieg die Treppe hinauf in das obere Stockwerk. Es war ein recht hübsches Treppenhaus: Die Stiege mit den kunstvoll geschnitzten Pfosten machte eine elegante Biegung, bevor man oben auf dem quadratischen Absatz ankam. Zwei Korridore führten in jeweils entgegengesetzte Richtungen an einer Reihe Türen entlang, und am Ende der Korridore fiel das Licht durch ein großes Fenster in das Innere des Hauses. Im östlichen Flur öffnete sich eine Doppeltür zum größten Schlafzimmer an der Vorderseite des Hauses, während sich im hinteren Bereich ein geräumiges Ankleidezimmer anschloss. Eine Verbindungstür führte zu einer zweiten Suite mit mehreren Zimmern, aus denen man einen Blick auf den kleinen Garten hinter dem Haus genoss. Zu den Zimmern gehörte ein bescheidenes, aber ebenfalls recht hübsches Boudoir, sodass er annahm, dass diese Räume für die Hausherrin eingerichtet worden waren.
Greville stieg wieder die Treppe hinunter, warf einen flüchtigen Blick in den Küchenbereich, in die Vorratsräume, die dem Butler unterstanden, und in das Wohnzimmer der Haushälterin. Er hatte nicht die geringste Ahnung, welche Erwartungen die Dienerschaft des Anwesens einer großen Stadt wie London hegte. Denn bisher hatte es keinen Anlass gegeben, über solche Fragen nachzudenken. Aber Aurelia würde wissen, ob das Haus angemessen eingerichtet war oder ob noch Verbesserungen vorgenommen werden mussten.
»Es wird reichen«, behauptete er.
Der Makler wirkte erleichtert. »Wenn Sie dann den Mietvertrag unterzeichnen würden, Sir Greville? Er ist für nur ein Jahr ausgestellt.«
»Ja. Aber bitte mit einer Möglichkeit zur Verlängerung.« Greville nahm dem Makler den Vertrag aus der Hand und ging in das Wohnzimmer. Er bezweifelte, dass er den Vertrag jemals verlängern würde. Aber die Maskerade verlangte, dass er den Eindruck erweckte, sich dauerhaft niederlassen zu wollen. Auf dem Schreibtisch fand er Feder und Tinte und unterschrieb, bevor er das Dokument dem Makler überreichte. »Wenn Sie mir nun die Schlüssel aushändigen würden, dann ist unser Geschäft besiegelt, nehme ich an.«
»Ja, Sir Greville. Mit Vergnügen, Sir.« Der Makler reichte ihm einen schweren Schlüsselbund. »Hier sind sie, Sir, und alle genau beschriftet. Die Schlüssel für den Keller und die Vorratskammern, und … selbstverständlich gehe ich davon aus, dass Ihr Butler und Ihre Haushälterin sich darum kümmern werden.«
»Ich auch«, stimmte Greville zu und wog die schweren Schlüssel in der Hand, bevor er sich von dem Makler verabschiedete. »Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag, Charteris.«
»Angenehmen Tag, Sir Greville.« Der Mann war unübersehbar erleichtert, als er seinem Klienten die Hand drückte. »Danke, ich finde selbst hinaus.« Er eilte in die Halle, und kurz darauf hörte Greville, wie die Eingangstür zuschlug. Die Atmosphäre des Hauses schien sich langsam auf ihn herabzusenken, als er im Wohnzimmer stand und sich das Kinn rieb.
Aurelia konnte ihm bei der Auswahl der Dienerschaft behilflich sein. Das wäre angemessen, sobald sie verlobt waren. Aber bevor es so weit war, würde er schleunigst einziehen müssen. Oder besser, er würde schleunigst aus dem Anwesen der Lady Broughton ausziehen müssen. Seine Tante war dazu übergegangen, sich auf die Lauer zu legen, sich förmlich aus dem Hinterhalt auf ihn zu stürzen, sobald er das Haus betrat oder verließ, und ihn mit Neuigkeiten über die Vorbereitungen ihrer Willkommensparty zu belästigen. Es war ihm ein Rätsel, wie sie auf den Gedanken kam, dass er sich für die Farbe des Champagners oder die Wahl des Porzellans interessieren könnte. Oder für die Frage, ob besser Rebhuhn oder Fasan in den Pasteten verarbeitet werden sollte.
Kopfschüttelnd verließ Greville das Haus und schloss die Tür hinter sich ab. Leise pfeifend schlenderte er in Richtung Cavendish Square. Er hatte Aurelia angekündigt, dass er ihr noch vor der Mittagszeit seine Aufwartung machen wollte. Es war höchste Zeit.
Aurelia saß im Salon und schaute aus dem großen Fenster hinaus auf die Straße. Vorsichtshalber hatte sie Morecombe erklärt, dass sie heute Vormittag keinen Besuch empfangen würde, weil sie auf
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