Süße Herzensbrecherin
Beeten mit späten Frühlingsblühern und ersten Sommerblumen gesäumt war.
Carlow Park musste der schönste Ort sein, den sie je gesehen hatte. Ein sanfter Abhang gab die Sicht frei auf einen friedvoll anmutenden See, auf dem Schwäne und andere Wasservögel ihre Kreise zogen und an dessen Ufer ein Sommerhaus lag. Das kunstvoll verschnörkelte Gebäude sah selbst aus der Entfernung bezaubernd aus, und neugierig machte Cassandra sich auf den Weg hinunter zum See. Eine erfrischende Brise wehte ihr entgegen und umspielte ihre nur mit einer Spange zusammengefassten Locken, die ihr über die Schultern und den Rücken fielen.
Plötzlich bemerkte sie aus dem Augenwinkel einen Reiter, und als sie umdrehte, sah sie William auf einem prachtvollen Hengst auf sie zutraben.
Ihr Herz tat einen Satz, und unwillkürlich hielt sie den Atem an. Hoch zu Ross bot der Earl of Carlow eine beeindruckend überlegene Erscheinung. Einen Mann wie ihn hatte sie nie zuvor gekannt. Seine Haltung war die eines Menschen, der es gewohnt war, Macht auszuüben und Befehle zu erteilen, die von seinen Untergebenen ebenso selbstverständlich befolgt wurden wie von seinem stolzen Pferd.
Er brachte den Hengst ein paar Yards vor ihr zum Stehen und saß ab.
„Wie schön, Sie hier draußen zu sehen, Cassandra. Das kann nur bedeuten, dass es Ihrer Schwester besser geht, denn andernfalls hätten Sie sie nicht allein gelassen.“ Sein breites Lächeln entblößte seine ebenmäßigen weißen Zähne, und er strahlte eine ansteckende Vitalität und Tatkraft aus. „Ich freue mich, dass Sie die frische Luft genießen“, setzte er hinzu und betrachtete sie.
Sie sah umwerfend hübsch aus mit ihren rosigen Wangen und dem gelösten Haar, das ihr in kaskadenförmigen Wellen über die Schultern fiel. Seit er ihr das erste Mal begegnet war, schien es ihm nicht mehr gelingen zu wollen, Cassandras Antlitz aus seinem Kopf zu verbannen. Es war fesselnd in seinen Widersprüchen, wirkte zuzeiten offen und dann wieder streng, mitunter scheu, aber meistens entschlossen – und in manchen, seltenen Momenten zu Herzen gehend verletzlich.
Er konnte es noch immer nicht recht fassen, dass er, sobald er Edward am Tag zuvor in der Akademie abgeliefert hatte, wie ein liebeskranker Narr Hals über Kopf und in teuflischem Tempo nach Carlow Park zurückgefahren war, um Cassandra so rasch wie möglich wiederzusehen. Leider hatte eine beunruhigende Begebenheit auf der Straße ihn Zeit gekostet, sodass er erst zu recht fortgeschrittener Stunde heimgekommen war. Er hatte entschieden, dass es zu spät für einen Besuch bei Cassandra war, und die Zeit genutzt, um nachzudenken. Am Ende war er zu dem Schluss gelangt, dass er das, was sich auf der Heimreise zugetragen hatte, lieber für sich behielt. Eines jedoch wusste er mit Bestimmtheit: Der Vorfall auf der Straße unweit von Carlow Park war ein weiterer Versuch, ihn zu töten.
Ein maskierter Straßenräuber hatte ihnen den Weg blockiert und den Kutscher mit der Waffe gezwungen, den Vierspänner anzuhalten. Das Gefährt war kaum zum Stehen gekommen, als die Kutschentür aufgerissen wurde. William hatte den Lauf einer Pistole auf sich gerichtet gesehen und – Gott sei Dank war er bewaffnet gewesen – einen treffsicheren Schuss abgefeuert. Leider hatten daraufhin die Pferde zu scheuen begonnen und ihn abgelenkt, sodass der angeschossene Attentäter die Flucht in den Wald ergreifen konnte.
„Emma hat sich tatsächlich ein wenig erholt“, unterbrach Cassandra, die nichts von dem Vorfall ahnte, seine Gedanken. „Und da es ein solch herrlicher Tag ist, beschloss ich, zum See zu spazieren.“
„Wenn Sie nichts dagegen haben und meine Gesellschaft Sie nicht stört, würde ich Sie gern begleiten.“
„Das brauchen Sie nicht. Ich bin sicher, dass Sie eine Menge Pflichten zu erledigen haben.“
„Keine, die nicht warten könnte oder so interessant wäre, wie mit Ihnen einen Spaziergang zu unternehmen. Ich bestehe darauf.“
„In Ordnung.“ Cassandra nickte lächelnd und setzte sich in Bewegung. „Wie war Ihre Fahrt nach London?“, wollte sie wissen, während sie Seite an Seite weitergingen.
„Ganz gut. Ich bin spät nach Carlow Park zurückgekehrt.“
„Und wie ging es Edward, als Sie ihn verließen? Meinen Sie, er wird sich mit seiner militärischen Laufbahn arrangieren?“
„Das hoffe ich. Edward liebt sein Vaterland, ist loyal und ehrbar. Er hat das Zeug, ein guter Soldat zu werden – obwohl er sehr verliebt ist in
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